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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Wunschvorstellung entsprach, die er schon lange in seinem Unterbewußtsein mit sich herumtrug, oder ob die Frau im grünen Kostüm – ja, Sarah liebte grün über alles – vielleicht doch Sarah Jones war, in diesem Zustand des Hoffens und Bangens faßte sich Howard ein Herz, und nach einer Redepause, die er absichtlich endlos in die Länge zog, begann er: »Meine Damen und Herren, können Sie sich vorstellen, was mich heute bewegt, da ich feststelle, daß sich diese Frau hier im Publikum befindet?«
    Ein Beifallssturm brach los, wie ihn die Carnegie Hall selten erlebt hatte. Die Zuschauer sahen sich neugierig um.
    Nur Keedick bemerkte, wie die Frau in der ersten Reihe den rechten Zeigefinger an ihre Lippen führte, einen Kuß darauf drückte und ihn in Richtung des Rednerpults auf die Bühne schickte.
    Als Carter seinen Vortrag beendet hatte, ging Keedick auf die Frau im grünen Kostüm zu und sagte: »Ich bin Lee Keedick, der Agent von Mr. Carter. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
    Sarah Jones war viel zu verwirrt und von ihren Gefühlen überwältigt, um Keedick eine Frage zu stellen. Bedenkenlos folgte sie ihm in die Künstlergarderobe.
    Während Keedick sich ohne ein Wort zu sagen zurückzog, standen sich Sarah und Howard gehemmt, beinahe schüchtern wie Kinder gegenüber.
    »Sarah!« sagte Howard.
    Und Sarah antwortete leise fragend: »Howard?«
    Die nüchterne Atmosphäre der Künstlergarderobe, links ein großer, breiter, mit nackten Glühbirnen eingerahmter Spiegel, davor ein rechteckiges Tischchen und zwei Stühle, auf der rechten Seite eine blankpolierte, fahrbare Kleiderstange, all das trug nicht gerade zur Auflockerung der Begegnung bei.
    »Ich habe halb London nach dir abgesucht«, bemerkte Howard, nur um etwas zu sagen, »ich habe alle Passagierlisten durchgesehen. Warum hast du das getan, damals?«
    Sarah fand zuerst die Fassung wieder. »Ich wollte, daß du ein großer Ausgräber wirst, Howard. Und wie man sieht, hat sich mein Wunsch erfüllt.«
    Carter winkte ab. »Aber wir haben uns doch geliebt! Wie konntest du eine so grausame Lüge gebrauchen?«
    »Es gab keine andere Möglichkeit, Howard. Du warst jung, zu jung, um zu begreifen, daß sich dir die Chance deines Lebens bot. Und – die erste Liebe hält selten ein Leben lang. Ich glaube nicht, daß wir heute noch zusammen wären, wenn wir damals…«
    »So, glaubst du nicht!« rief Howard wütend. Vor Sarahs geistigem Auge tauchte wieder der trotzige Junge aus Swaffham auf, der sich nicht damit abfinden wollte, daß die erste Liebe selten ewig währte.
    »Ja, ich glaube es nicht«, erwiderte Sarah.
    Mißmutig hob Howard die Schultern, und betont gleichgültig stellte er die Frage: »Bist du – verheiratet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Es hat sich nicht ergeben.«
    »Und wo lebst du?«
    »In New York, an der Lower East Side, in einem Haus in der Orchard Street mit sechs Stockwerken und 36 eisernen Baikonen zur Straße hin, ganz oben, mit einem herrlichen Ausblick auf die Stadt. Ich leite eine Schule für europäische Einwanderer. Und du? Bist du verheiratet?«
    »Nein«, antwortete Carter.
    »Warum nicht?«
    Erst jetzt erkannte Howard die Dummheit seiner Frage, die er zuvor gestellt hatte. »Auch bei mir hat es sich einfach nicht ergeben.«
    »Und das schöne junge Mädchen an deiner Seite, das in allen Zeitungen abgebildet ist?«
    »Meine Nichte«, antwortete Howard knapp. Aber schon im nächsten Augenblick bemerkte er, daß Sarah ihm nicht glaubte.
    Es klopfte, und Lee Keedick steckte den Kopf durch die Türe: »Entschuldigen Sie, Madam, Mr. Carter, das Taxi wartet.«
    Howard gab Keedick ein Zeichen, er solle verschwinden. »Wir müssen uns unbedingt noch einmal sehen, bevor ich abreise«, meinte Carter und reichte Sarah zaghaft seine Rechte. »Morgen Abend zum Dinner um sieben im ›Waldorf-Astoria‹, einverstanden?«
    Sarah ergriff die dargebotene Hand, und für einen Augenblick empfanden beide eine wohlige Erinnerung.
     
     
    Vergeblich wartete Howard am folgenden Abend im Restaurant des Hotels auf Sarahs Erscheinen. Er hatte Phyllis von seiner Begegnung mit Sarah erzählt, und obwohl Eifersucht zu ihren Untugenden gehörte, sah Phyllis keinen Grund, Howard nicht für diesen letzten Abend in New York seiner Jugendliebe zu überlassen.
    Als Sarah gegen halb acht noch immer nicht erschienen war, machte sich Howard Gedanken. Hatte er Sarah beleidigt? Welchen Grund gab es, daß sie seiner Einladung nicht nachkam? Nach einer weiteren

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