Der König von Luxor
im ›Waldorf-Astoria‹, dafür etwas intimer und ohne daß wir uns vor irgendwelchen Leuten verstecken müssen.«
Sarah öffnete eine Schiebetür, die ein kleines Speisezimmer vom Living-Room abtrennte. Auf dem Tisch funkelte ein Kerzenleuchter, weißes Geschirr war liebevoll gedeckt, Gläser standen bereit und Rotwein.
»Sarah!« entfuhr es Carter, der nun erkannte, daß alles an diesem Abend bis ins Detail geplant war.
Als genierte sie sich ein wenig, schlug Sarah die Augen nieder. Sie wirkte auf einmal nachdenklich, so als prüfte sie in Gedanken noch einmal ihr Vorhaben. Schließlich wies sie Carter seinen Platz zu, und mit einem Lächeln, jenem Lächeln, das ihm viele Jahre im Gedächtnis geblieben war und das jetzt manche Erinnerung vergegenwärtigte, verschwand sie in der kleinen Küche, um nach dem Essen zu sehen.
»Wußtest du eigentlich, daß ich nach Amerika ausgewandert bin?« rief Sarah, während sie in der Küche hantierte.
»Ja, natürlich«, antwortete Carter.
»Wie hast du es erfahren?« Sarah steckte den Kopf durch die Tür.
»Von Chambers. Sein Bruder war auf demselben Schiff, mit dem du nach New York gefahren bist!«
»Das ist nicht wahr!«
»Doch, Sarah.«
»Und was ist aus Charles Chambers geworden?«
»Als ich ihn zuletzt sah, war er Organist in einem Kinematographentheater.«
»Chambers?«
»Charles Chambers!«
Sarah trug das Essen auf, an das sich Howard später, so sehr er auch nachdachte, nicht mehr erinnern konnte, nicht weil es so gewöhnlich gewesen wäre, nein, es waren die Ereignisse, die Carter überrollten und ihn vergessen ließen, ob das Dinner vorzüglich oder mittelmäßig war.
Es begann damit, daß Sarah plötzlich Messer und Gabel beiseitelegte und zwischen ihren Brüsten, die kaum etwas von ihrer Attraktivität verloren hatten, ein Papier aus dem spitzen Ausschnitt zog und ihm über den Tisch reichte. »Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst.«
Howard nahm das abgegriffene Papier und las, und erst als er geendet hatte, erkannte er seine eigene, jugendliche Handschrift: Der schönen Aphrodite – vormals Griechenland, jetzt Swaffham, Grafschaft Norfolk. Von Howard Carter.
»Du hast den Brief noch immer?« bemerkte er ungläubig.
»Ja, Howard. Ich habe ihn gehütet wie meinen Augapfel. Es ist der schönste Brief, den ich in meinem Leben erhalten habe. Er erinnert mich immer an meine erste und einzige große Liebe.«
Ihre Worte trafen Carter wie ein Pfeil, der sich ins Herz bohrt. Er fühlte sich hilflos und den Tränen nahe. Was sollte er darauf nur antworten?
Der berühmte Howard Carter kam sich vor wie ein unerfahrener, dummer Junge, er fühlte sich zurückversetzt in seine Jugendzeit, als er seine Lehrerin anbetete, als er davon träumte, mit ihr zu schlafen, als er sein Leben dafür gegeben hätte, dieses Ziel zu erreichen.
»Es hätte alles so schön werden können mit uns«, bemerkte Howard und streckte seine Hand aus.
Sarah ergriff sie und rieb mit dem Daumen über seinen Handrücken. Sonne, Steine und Staub hatten die Haut spröde gemacht. Schließlich erwiderte sie: »Hätte, Howard, du sagst es! Es hätte auch ganz anders kommen können, und die Wahrscheinlichkeit dafür ist weitaus größer. Auch unsere Enttäuschung wäre weitaus größer gewesen. Glaubst du nicht? Die größte Liebe spielt sich in unseren Träumen ab, wenn Phantasie und Verlangen alle Grenzen überschreiten. Sie kennt keinen Fehltritt und keine Enttäuschung. Die Wirklichkeit ist der Tod unserer Träume.«
»Das hast du schön gesagt, Sarah. Trotzdem will ich dir nicht so recht glauben.«
Sarah reichte Howard die Weinflasche und bat ihn einzuschenken. »Auf unser Wiedersehen in New York!« prostete sie ihm zu.
»Ich liebe dich noch immer!« sagte Carter und nahm einen tiefen Schluck.
Mit der ihr eigenen Überlegenheit schmunzelte Sarah vor sich hin. Dann meinte sie: »Eines Morgens wärst du neben mir aufgewacht und hättest eine Frau erblickt mit Fältchen um die Augen, und ihr Busen hätte auch nicht mehr die beste Form gehabt, und du hättest Ausschau gehalten nach jüngeren Frauen, und dabei hättest du mir unsagbaren Schmerz zugefügt.«
»Das hätte ich nie getan, Sarah! Du bist noch heute so schön wie früher. Und was das Alter betrifft: Auch ich bin nicht jünger geworden!«
»Das nicht, aber die junge Frau an deiner Seite ist doch der Beweis, daß ich recht habe.«
»Phyllis? Ich schwöre dir, sie ist meine Nichte Phyllis Walker. Zugegeben, sie himmelt
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