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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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(wofür er zwei Ford-Automobile hätte kaufen können); doch trug er das Geld nur deshalb bei sich, um jederzeit ein neues Geschäft anzahlen zu können.
    Für einen Augenblick brachte der Anblick Rockefellers Howard ins Grübeln. War dies der Preis des Reichtums? Was, dachte Carter, hätte dieser Mann dafür gegeben, wenn ihn das Schicksal weniger hart getroffen hätte?
    Während er solchen Gedanken nachhing, stürmte die exaltierte Lady mit ausgestreckten Armen auf Howard zu und rief, daß alle es hören konnten: »Warum haben Sie das getan, Mr. Carter?«
    Verwirrt blickte sich Howard um und suchte bei Lee Keedick Beistand. Keedick hielt die Hand vor den Mund und flüsterte: »Nehmen Sie ihre Worte nicht zu ernst. Mrs. Rockefeller-McCormick hält sich für die Reinkarnation einer altägyptischen Königin. Wie man hört, redet sie bisweilen sogar in einer Sprache, die keiner versteht, und erzählt Begebenheiten aus ihrem früheren Leben. Wenn Sie mich fragen, ein Beweis dafür, daß Geld den Menschen um den Verstand bringt.«
    »Eine Reinkarnation einer Ägypterkönigin? – Auch das noch!« Carter machte ein ziemlich verzweifeltes Gesicht. Schließlich wandte er sich an Rockefellers Tochter und fragte: »Ich verstehe nicht, was werfen Sie mir vor?«
    »Sie haben die Ruhe des Pharaos gestört, Mr. Carter. Und Osiris, der Sohn des Erdgottes Geb und der Himmelsgöttin Nut, der über die Toten richtet, wird Sie dafür bestrafen.«
    Carter erschrak. Sprach so eine Frau, die den Verstand verloren hatte? Interessiert fragte Howard: »Woher haben Sie Ihre Kenntnisse über die Religion der alten Ägypter?«
    Da lösten sich die gespannten Gesichtszüge der reichen Lady, und mit einem Lächeln erwiderte sie: »Mr. Carter, ich erzähle Ihnen nichts Neues, die alten Ägypter glaubten an ein weiteres Leben nach dem Tode. Sehen Sie mich an, ich bin der leibhaftige Beweis dafür. Ich bin heute nur die Frau eines Industriellen, Mrs. Rockefeller-McCormick aus Chicago, gesegnet mit dem Vermögen der International Harvester Companys aber vor dreitausend Jahren war ich eine ägyptische Königin, Anches-en-Amun, verehelicht mit Pharao Tut-ench-Amun.«
    Ein Raunen ging durch den Saal. Einigen Gästen, die Ohrenzeugen der Unterhaltung geworden waren, entfuhr ein stummer Aufschrei des Entsetzens, andere schmunzelten ungläubig, wieder andere mitleidig.
    Carter, der der Begegnung bisher eher gleichgültig gegenüber gestanden hatte, war fasziniert. Er fühlte sich auf einmal von dieser Frau magisch angezogen. Beinahe schüchtern stellte er die Frage: »Haben Sie einen Beweis für Ihre Behauptung?«
    Da huschte abermals jenes wissende Lächeln über ihr Gesicht, und Mrs. Rockefeller-McCormick antwortete: »O ja, Mr. Carter. Ich habe alle Ihre Berichte in den Zeitungen verfolgt und festgestellt, daß Sie zwei Vorkammern und die Grabkammer des Pharaos entdeckt haben. Eine vierte Kammer ist Ihnen dabei offensichtlich entgangen. Für den Forscher ist diese Kammer von geringerer Bedeutung, mir bedeutet sie um so mehr, denn sie enthält zwei winzige Mumiensärge.«
    Mit Verwunderung beobachtete Carter, wie sich Trauerfalten in das Gesicht der reichen Lady eingruben, und er geriet ins Stottern, als er sagte: »Eine vierte Kammer? Das – kann – nicht sein!«
    »Und doch ist es so. Aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Mr. Carter, lassen Sie es dabei bewenden. Suchen Sie nicht nach der vierten Kammer. Denn sie enthält ein Geheimnis, das mich sehr traurig stimmt.«
    Howard sah Mrs. Rockefeller-McCormick betroffen an. Er wußte nicht so recht, was er von ihren Worten halten sollte. Nicht einmal in Gedanken wagte er, diese als Humbug abzutun. Zuviel hatte er in all den Jahren erlebt, was sich mit normalen Maßstäben nicht messen ließ.
    Die rätselhafte Frau musterte Carter lange und durchdringend; dann sagte sie ruhig, aber in einem Tonfall, der Howard erschauern ließ: »Das sollten Sie wissen, Mr. Carter. Es liegt an Ihnen, Ihre Schlüsse zu ziehen.«
    Schweigend hatte John D. Rockefeller das Gespräch verfolgt. Unter den Gästen, die die Begegnung zum großen Teil miterlebt hatten, entstand Unruhe. Man stand in kleinen Gruppen, tuschelte und diskutierte. Und unbemerkt, wie sie gekommen waren, verließen Rockefeller und seine rätselhafte Tochter die aufgebrachte Gesellschaft.
     
     
    Anfang Juli, in der größten Hitze des Sommers, der die Stadt bisweilen in einen Backofen verwandelt, kehrte Carter nach New York zurück. Hinter ihm lagen

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