Der Koenig von Rom
ein tödliches Netz um ihn gesponnen.
Ein Netz aus Leidenschaft. Aus Verdammnis.
Er musste sofort abhauen. Lieber auf der Straße sterben als auf dem Sofa.
Bei der erstbesten Gelegenheit schlug er zu. Er und Dandi hatten alles mit größter Ruhe vorbereitet. Giada war eine Woche lang nicht in Rom. Sie begleitete ihren Vater auf einer Geschäftsreise. Nach jahrelangem Hass hatten sie Frieden geschlossen.
„Ich möchte ihn dir vorstellen, Libano. Er könnte dir helfen.“
„Irgendwann einmal, danke.“
„Hast du vielleicht vor, mich zu verlassen?“
„Komm her, Dummerchen, gib mir einen Kuss.“
Die Götter stiegen vom Olymp herunter und boten ihm eine Eintrittskarte an. Allerdings durch den Dienstboteneingang. Nicht mit mir.
– Ich bin fertig, Libano.
Dandi zeigte ihm, was er erbeutet hatte: ein kleines Köfferchen voller Ringe, Perlen und Armbänder. Libano wog das Jadearmband in der Hand und schüttelte den Kopf.
– Das behalte ich.
– Du Glücklicher.
– Gehen wir. Wir sind hier fertig.
– Ach, und du bist sicher, dass uns deine kleine Freundin nicht anzeigt?
– Bestimmt nicht, Dandi.
– Nein, das tu ich bestimmt nicht, Dandi …
Giada schloss die Tür hinter sich und ging auf die beiden Freunde zu. Dandi erstarrte.
– Libano, wo kommt denn die auf einmal her? Du hattest doch gesagt, dass …
– Ruhig. Bring die Sachen zur ausgemachten Stelle. Wir sehen uns dann.
– Libano, meiner Meinung nach …
– Dandi, lass uns bitte allein.
Dandi zog Leine.
Libanese konnte sich nicht sattsehen an dem wunderschönen Mund, den er tausende Male geküsst hatte. Der bittere Zug schmerzte ihn zutiefst.
– Ich hatte dich gern.
– Auch ich hatte dich gern, natürlich, Giada.
– Ich habe dir vertraut.
– Meine Mutter hatte recht. Was hat die Alte zu dir gesagt? Hände weg von ihm.
– Wir hätten so viel miteinander machen können.
– Ja, natürlich! Die Straße hat nicht einmal „buh“ gesagt, und schon bist du in Papas Arme geflüchtet. Komm, vergessen wir’s.
– Warum tust du mir das an? Brauchst du Stoff? Du hättest mich fragen können, du hättest dir alles nehmen können … warum?
– Es hat keinen Sinn. Es gibt nichts zu erklären. Ich habe dir die Platte mit
Lella
dagelassen. Ach ja, … und das.
Libanese kramte in seiner Tasche und gab ihr das Jadearmband.
Sie drehte sich um und sperrte sich im Bad ein.
Er schätzte ihren Stil. Eine Frau aus seinem Milieu hätte Zeter und Mordio geschrien, ihm das Gesicht zerkratzt, gedroht, sich aus dem Fenster zu stürzen. Ach, Giada, Giada …
Lieber den Schmuck. Er konnte eine Million dafür bekommen, wenn Agnolotto gut gelaunt war.
Er verspürte leichte Bitterkeit. So leicht wie ein Nadelstich. Aber gleich darauf beschloss er, dass Giada der Vergangenheit angehörte, und mit einem Achselzucken befreite er sich für immer von der Erinnerung an sie.
Im Morgengrauen ging er bereits über den Lungotevere, die Hände in den Taschen seiner Lederjacke, eine Zigarette zwischen den Zähnen. Er dachte an die Zukunft. Er dachte an Turco, der sich in Scrocchiazeppi verknallt hatte, und dachte an dessen Arbeitgeber, Baron Rosellini.
Wie viel so einer wohl wert war? Eine Milliarde, fünf, zehn?
Einen Versuch war es wert, oder nicht?
Nachwort
Giancarlo De Cataldo hat – neben zahlreichen anderen – vier Kriminalromane geschrieben, die vierzig Jahre italienischer Geschichte umspannen, von den frühen 1970er-Jahren bis heute. Da den deutschen Leserinnen und Lesern diese Zeit vielleicht nicht so vertraut ist wie den italienischen, haben der Literaturkritiker Tobias Gohlis und Giancarlo De Cataldo versucht, den historischen Hintergrund dieser Kriminalromane zu erhellen.
Der König von Rom
ist der jüngste dieser vier Romane und eine Rückkehr zu den Anfängen. De Cataldo erzählt darin die Vorgeschichte zu
Romanzo Criminale
, jenem Buch, das ihn und die Maglianabande berühmt gemacht hat. Er stellt den jungen Libanese vor die Frage, ob er wild sein und als Verbrecher früh sterben oder ob er das Angebot eines normalen bürgerlichen Lebens annehmen will, das ihm die Liebe zu Giada macht. Wir wissen, wie sich Libanese entschieden hat. Zeit also für einen Rückblick auf die letzten vierzig Jahre.
Der Verlag
Italien, erzählt in seinen Verbrechen
Von Tobias Gohlis und Giancarlo De Cataldo
Ein Treffen
Im Herbst 2012 ist Giancarlo De Cataldo zufällig einem der Bosse der Maglianabande wieder begegnet. Und der alt gewordene Gangster hat
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