Der Koenig von Rom
wir können was anderes machen: Ich geb dir ein bisschen anständigen Stoff, du verkaufst ihn, und wir machen fifty-fifty…
– Das wär ein Anfang.
– Sag ich’s doch.
Libanese entspannte sich. Er hatte das Richtige getan. Das Gesicht war gewahrt worden, Pasquale hatte die Geste geschätzt, er war noch immer ein Untergebener, aber immerhin begann der Motor wieder zu laufen. Jetzt konnte er es gar nicht mehr erwarten, den Stoff in Empfang zu nehmen, von dem der Boss gesprochen hatte, und nach Hause zu fahren.
Aber Pasquale hatte überhaupt keine Lust, ihn gehen zu lassen. Er war viel zu glücklich, jemanden vor sich zu haben, der ihn in aller Öffentlichkeit bewunderte. Er bestellte noch ein Dutzend Austern, füllte Libaneses Glas mit Fiano di Avellino und prahlte mit seinen jüngsten Taten. Er hatte zwei Soldaten der Familie Vattelapesca kaltgemacht, einen hatte er mit eigenen Händen erwürgt und dann wie Aas verbrannt. „Trink das Glas aus.“ Der Krieg gegen die Familien war so gut wie gewonnen. ’O Professore war nun der Boss von Neapel und von halb Kampanien. Noch ein Glas und eine Auster. Den Ring, den er am Finger trug, hatte ihm ein Juwelier geschenkt. Diamanten, mein Sohn, ganz reine Diamanten. „Don Pasqua’, wollt ihr nicht Donn’Aurelia ein kleines Geschenk machen.“ Natürlich wollt ich bezahlen, ich weiß ja, was sich gehört, doch der Juwelier wusste, wen er vor sich hatte, und deshalb bekommt er das nächste Mal einen Nachlass auf das Schutzgeld.
Libanese hörte sich das süßliche Gesäusel an und täuschte die fällige Bewunderung vor. Dann bezahlte Pasquale die Rechnung – „Hier bin ich noch nicht zu Hause, mein Sohn, hier muss ich die Regeln der Höflichkeit einhalten“ –, legte ein übertrieben hohes Trinkgeld auf den Tisch, und dann verließen sie zu zweit das Lokal.
– Soll ich dich zum Auto begleiten Libane’?
– Ich bin mit dem Zug gekommen.
– Wegen der Absperrung, nicht wahr? Das hast du gut gemacht. Die Kommunisten, diese Nervensägen! Aber nach Neapel kommen sie nicht, da kannst du sicher sein. In Neapel befehlen wir. Aber jetzt hast du den Zug verpasst … das heißt, heute Nacht bist du mein Gast.
Das fehlte gerade noch! Aber er musste gute Miene zum bösen Spiel machen.
Libanese stieg seufzend in den Maserati und fand sich damit ab, dass ihm der andere auf die Eier ging.
Vor dem Haus standen Ciccillo und Maurizio.
– Was gibt es für Neuigkeiten?
– Ciro hat den Verräter gefunden.
– Wirklich?
– Wirklich.
– Und wo ist er?
– Am üblichen Ort.
Pasquale versetzte Libanese einen scherzhaften Knuff.
– Mein Sohn, das nenn ich Schicksal. Komm, der gehört dir.
Die Landschaft rundherum war pechschwarz. Die Camorristi lachten, freuten sich auf den Mord. Libanese stand stumm und mürrisch da. Er dachte ans Schicksal, dachte, dass es danach nie mehr so sein würde wie davor. Er dachte an Scarnicchia. An jenen Teil der Geschichte, den er Giada wohlweislich nicht erzählt hatte.
Kurz vor seinem Tod war Scarnicchia mit ihm auf den Friedhof Campo Verano gegangen. Er hatte eine Rose auf den Grabstein des Mannes gelegt, den er vor Jahren wegen einer Weibergeschichte umgelegt hatte.
„Junge, eines hab ich verstanden. Ich hab verstanden, dass dir das Leben auf der Straße gefällt. Auch mir hat es gefallen, als ich in deinem Alter war. Und was ist aus mir geworden? Du bist noch jung, hast noch Zeit … Aber eines Tages wirst du draufkommen, dass die Zeit vergeht, und dann sind die Entscheidungen, die du getroffen hast, nicht mehr rückgängig zu machen. Schau zu, dass du die richtigen Entscheidungen triffst … und glaub mir, ich bin den falschen Weg gegangen.“
Ja, Scarnicchia hatte recht, und Pasquale lag falsch. Es gab kein Schicksal, es gab nur Entscheidungen. Und Libanese hatte ein wenig Angst vor der Entscheidung, die er gleich treffen musste, und gleichzeitig sehnte er sie herbei.
Sie kamen zu den Ruinen außerhalb von Sessa Aurunca. Pasquale und die Jungs stiegen aus dem Auto aus. Der Camorraboss blickte sich um.
– Ciro! Ciro, wir sind da! Ciro?
Ein Schatten tauchte aus den Ruinen auf.
– Onkel!
– Ciru’! Und?
Ciro trat auf seinen Onkel zu. Er lächelte freundlich, und in der Hand trug er eine Pistole. Er hob sie ein wenig und schoss. Pasquale hatte plötzlich ein Loch mitten auf der Stirn. Ciccillo und Maurizio waren völlig verdutzt. Ciro erschoss zuerst den einen, dann den anderen. Dann richtete er die Waffe auf
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