Der Koenig von Rom
unter dem Vorwand, sie zu schützen, vollzogen wird.
De Cataldo sieht sich als Richter wie als Schriftsteller in einer Front demokratischer Abwehr.
Als Richter ist er stolz auf die Unabhängigkeit (übrigens auch im Unterschied zu den deutschen Staatsanwaltschaften, die den Justizministern unterstehen), mit der die italienischen Gerichte und Ermittlungsbehörden den Filz zwischen organisiertem Verbrechen und Geheimdiensten untersuchen können und untersucht haben. „Wir wissen so viel, weil wir so gute Richter haben! Und wir haben ein viel distanzierteres Verhältnis als ihr Deutschen zum Staatsapparat.“ Und tatsächlich wäre die Befragung eines Geheimdienstbeamten, wie im Fall der arabischen Fischer, in Deutschland wohl am Aussagevorbehalt der übergeordneten Behörde gescheitert. In Italien hingegen muss ein Geheimdienstler als Zeuge auftreten, mit allen Konsequenzen im Fall einer Falschaussage.
Als Kriminalschriftsteller, der mit
Der König von Rom
jetzt eine Tetralogie der jüngsten italienischen Geschichte in ihren Verbrechen vorgelegt hat, sieht sich Giancarlo De Cataldo zunächst einmal in einer Linie mit seinen italienischen Kollegen. Er selbst hat sie als Herausgeber von Anthologien und TV-Serien immer wieder zusammengeholt, um jeder auf seine Weise vom Verbrechen, das heißt von Ungleichheit, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Gewalt, zu erzählen. „Das große Verbrechen unserer Zeit ist das Verbrechen gegen die Demokratie“, fasst er zusammen, „in dieser Zeit der Konfusion können wir auch den Guten nicht vollständig trauen.“ Skepsis zu wecken, lebenswichtiges demokratisches Misstrauen, das ist sein erklärtes Ziel. Oder, um es mit den Worten seines Freundes Carlo Lucarelli zu sagen, sie üben sich in der Kunst, „schlecht zu denken“.
Und deshalb sieht De Cataldo sich in einer größeren Gemeinschaft als nur der italienischen Autoren. Es ist die Internationale der demokratischen Kriminalschriftsteller. „Nehmen Sie meine Bücher oder die von Stieg Larsson, von Dominique Manotti oder Ian Rankin, dann sehen Sie: Wir schreiben alle ganz verschieden, aber über das eine zentrale Thema, unsere schwache, anfällige, fragile Demokratie und wer sie gefährdet.“
ZEITTAFEL
1963
Erster Mafiakrieg
1969–1980
„Anni di piombo“, Bleierne Jahre: rechter und linker Terrorismus
12.12.1969
Mitglieder des neofaschistischen Ordine Nuovo und der Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR) töten 16 Menschen bei Bombenattentaten in Mailand und Rom, unterstützt vom Militägeheimdienst SISMI.
1969
Der Faschist Licio Gelli wird Sekretät der Freimaurerloge Propaganda Due (Loggia P2) und baut mit Unterstützung der CIA ein antikommunistisches Netzwerk aus Militärs, Geheimdienstleuten, Unternehmern und Politikern auf.
24.10.1970
„Professore“ Raffaele Cutolo gründet die Nuova Camorra aus dem Gefängnis in Neapel heraus.
1974
Giancarlo De Cataldo kommt nach Rom, um Filmregisseur zu werden, studiert aber Jura und arbeitet bei einem privaten Radiosender.
1977
Die Maglianabande, benannt nach einem Vorort Roms, entsteht unter Führung Franco Giuseppuccis (im Roman Libanese).
7.11.1977
Entführung des Grafen Massimiliano Grazioli Lante della Rovere, tot aufgefunden vier Monate später.
16.3.1978
Die Brigate Rosse entführen Aldo Moro, den langjährigen Premierminster und in der DC Vordenker des „Historischen Kompromisses“ mit dem PCI.
Die Maglianabande beteiligt sich an der Suche nach seinem Gefängnis, wird aber zurückgepfiffen.
9.5.1978
Moros Leiche wird nach 55 Tagen Gefangenschaft gefunden.
25.7.1978
Franco Nicolini (im Roman Terribile) wird erschossen.
1978
Berlusconi wird Mitglied der Geheimloge P2.
20.3.1979
Der Journalist Carmine Pecorelli wird mit Munition aus dem Waffenlager der Maglianabande im römischen Gesundheitsministerium erschossen. Er hatte hinter der Moro-Entführung Geheimdienstkreise vermutet.
2.8.1980
Neofaschisten der Nuclei Armati Rivoluzionari legen eine Bombe auf dem Hauptbahnhof von Bologna: 85 Tote und 200 Verletzte.
13.9.1980
Franco Giuseppucci, Kopf der Maglianabande, wird in Trastevere erschossen.
3.2.1981
Nicolino Selis (im Roman il Sardo) wird von Mitgliedern der Maglianabande ermordet.
1981–1983
Im „Zweiten Mafiakrieg“ erobert die Mafia-Familie aus Corleone durch ca. 1000 Morde die Macht in der Cosa Nostra, unter den Opfern sind auch Repräsentanten der Staatsmacht.
Mai 1981
Eine parlamentarische Untersuchungskommission deckt weitläufige Verbindungen der Geheimloge
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