Der Koenig von Rom
Geheimdienstsiegel begangen wurden, nicht komplett vernichtet, sondern nur ein Teil davon. Der Grund war, so sehe ich es, man wollte diese Akten für Situationen bewahren, in denen sie nützlich sein könnten. Das war das Italien jener Zeit.
Zeit der Wut
Den Roman
Zeit der Wut
hat De Cataldo gemeinsam mit dem in Italien sehr bekannten Drehbuchautor Mimmo Rafele (u. a.
Allein gegen die Mafia
) zunächst als Drehbuch konzipiert. Die beiden kennen sich von der Arbeit an der TV-Serie
Borsellino
über den gleichnamigen Antimafia-Richter. Der deutsche Titel
Zeit der Wut
bezieht sich auf den jungen Helden des Romans, den Polizisten Marco Ferri. Er ist geladen mit einer Art genetischer Wut, die ihn nur zu leicht aus dem Lager des rechtsstaatlich agierenden Polizisten Nicola Lupo in das des Quasi-Söldners Aldo Mastino überlaufen lässt, der in Wirklichkeit Befehlsempfänger des dämonischen Kommandanten ist.
Der italienische Titel des Romans
La forma della paura
(„Die Gestalt der Angst“) kennzeichnet deutlicher als der deutsche das zentrale Thema. An die Stelle der „Strategie der Spannung“ aus der Zeit des Kalten Krieges ist nach den Anschlägen des 11. September 2001 das Herrschaftsinstrument der Furcht getreten. De Cataldo:
Seitdem herrscht eine diffuse Stimmung, wir müssten uns verteidigen, der Westen befinde sich in einer Wagenburg: Wir treten in die Epoche der Selbstverteidigung ein. Unser gemeinsamer großer Feind seien die Araber. Und ein Haufen Geld wurde für Sicherheit ausgegeben. In Italien hat sich diese allgemeine Bedrohungsangst verknüpft mit der Frucht vor Einwanderern, nicht nur aus Nordafrika, sondern vor allem auch aus Osteuropa.
Die Dualität böser Cop – weniger böser Cop, die er bereits in
Schmutzige Hände
erprobt hat, ist gewissermaßen ummantelt durch die zentrale böse Figur des Kommandanten einerseits und die Intrige des vorgetäuschten islamistischen Attentats andererseits. Die beiden Cop-Figuren agieren die moralischen, politischen und Rivalitäts-Konflikte zweier Staatsdiener mit unterschiedlichen Temperamenten und Idealen aus und bieten Identifikationsfläche für den Diskurs über wehrhafte versus offene Demokratie. Dieser findet jedoch nicht im luftleeren bzw. genre-gegebenen fiktiven Raum statt.
Denn sowohl dem Kommandanten als Typ ist der Autor in der Realität begegnet als auch den illegal operierenden Polizisten, die friedliche muslimische Einwanderer zu Anschlägen aufhetzen. Letzteren ist er im Saal des Appellationsgerichtshofes begegnet, an dem er tätig ist. Giancarlo De Cataldo:
Wir hatten den Fall zweier arabischer Fischer. Sie waren angeklagt, einen Sprengstoffanschlag gegen den Soldatenfriedhof von Nettuno nahe Rom geplant zu haben. Wir ließen sie frei, weil wir den Beweis hatten, dass jemand anderes den Sprengstoff hinterlegt hatte.
Ein Geheimdienstler hatte diesen legalen arabischen Einwanderern gedroht, er werde sie den Israelis oder der CIA ausliefern, wenn sie nicht kollaborierten. Er wollte sie als Agenten in islamischen Kreisen einsetzen (wie den Ägypter Salah im Roman). Diese sehr armen und kaum des Lesens und Schreibens kundigen Fischer hatten einen italienischen Freund, der zum Islam übergetreten war und dem sie deshalb vertrauten. Dieser Freund, ein Steinmetz, folgte dem Geheimagenten beim nächsten Treffen und identifizierte ihn, so dass wir ihn vor Gericht laden und befragen konnten.
In einem andern Fall wurden 14 oder 15 Nordafrikaner angeklagt, sie wollten angeblich das römische Wasser vergiften. Ihre Telefone waren überwacht worden. Man hatte den arabischen Gruß „scha nur“, was so viel bedeutet wie „Das Licht sei mit dir“, mit dem italienischen Wort für Zyankali – „cianuro“ – verwechselt.
Das Vorbild für den Kommandanten, der einen Anschlag vortäuscht, um einen Konflikt zu verschärfen, war der amerikanische Spindoktor, Geheimdienstmann und spätere Krimischriftsteller Steve Pieczenik. Er hatte den italienischen Staat als Spezialist für psychologische Kriegsführung zur Zeit der Moro-Entführung beraten. Um zu verhindern, dass Moro freigelassen wurde, ließ er ein Schreiben der Roten Brigaden fälschen, das die Ermittler just zu dem Zeitpunkt, wo man Moro hätte finden können, von Rom weg an einen See in den Albaner Bergen lockte.
Schlecht denken, böse Fragen stellen
Giancarlo De Cataldo und Mimmo Rafele haben
Zeit der Wut
als Appell verstanden, sich gegen die Einschränkung demokratischer Freiheiten zu wehren, die
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