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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Verrücktwerdens? Als müsse er sich für ein angebliches geistiges und körperliches Fehlverhalten bestrafen, bewältigte er im Anschluss an solche Phasen stets eine Gewalttour. Danach war er zu müde, sein Zelt aufzubauen. Er räumte einfach den Schlitten leer, drückte ihn etwas in den Schnee und legte sich in die körpergerechte Wölbung. Mit Zelt und Plane und allem, was er hatte, deckte er sich zu.
    Mehr und mehr kämpfte Alexander mit Halluzinationen. Es begann zu dem Zeitpunkt, als sich auch die tägliche graue Stunde nicht mehr meldete und ihn die Polarnacht mit ihrem Schattenreich verschluckte. Alexander kam es vor, als habe man ihn in einen riesigen Sack gesteckt. Plötzlich jedoch sah er Lichter vor sich, die Häuser einer kleinen Siedlung. Warme, gelbe, einladende Lichter, wie damals, als er auf dem Weg nach Perm 35 war. Dann sprang er auf und rannte auf die Lichter zu, aber sie kamen nicht näher. Und wenn er merkte, dass er einem Trugbild aufgesessen war, machte er kehrt und suchte seinen Lagerplatz. Das dauerte seine Zeit, manchmal eine Stunde und länger.
    Alexander sang Lieder, sagte die wenigen ihm bekannten Gedichte auf, fluchte auf Gott und die Welt und steckte dem Mond, von dem er sich beobachtet fühlte, die Zunge heraus. Er zählte seine Schritte, begann bei tausend und zählte rückwärts. Alexander ließ sich in den Schnee fallen und grub mit den Händen eine kleine Höhle, in die er den Kopf steckte, als gäbe es etwas zu suchen. Noch war er in einem Stadium, in dem er, wieder bei Verstand, die Sinnlosigkeit seines Verhaltens erkannte. Als schäme er sich vor sich selbst, marschierte er dann mit gesenktem Kopf umso raumgreifender voran.
    Das Gelände wurde einfacher, nur noch vereinzelt gab es kleinere Hügel. Als es wieder eben war, bemerkte er zwei schroffe Felsnadeln gleich vor sich im Mondlicht wie zwei zu Stein erstarrte Zwillinge. Alexander steuerte darauf zu, umrundete die linke und brach ein. Samt Schlitten stürzte er einige Meter tiefer, landete aber weich auf einem Schneepolster. Um ihn herum herrschte totale Finsternis, oben sah er durch einen Spalt den Sternenhimmel.
    Alexander löste die Gurte des Schlittens und schnallte die Ski ab. Dann lachte er irr, denn er war überzeugt, dieser Sturz sei Vorsehung gewesen und jetzt endlich in dem längst für ihn bestimmten Grab gelandet.
    Ohne sich dessen recht bewusst zu sein, richtete er sich in der Höhle ein, die noch einige kurze Nebengänge hatte. Obwohl es auch hier weit unter null Grad war, kam ihm die Temperatur angenehm vor weil der Wind fehlte und der Schneefall. Noch etwas anderes war angenehm: Die Höhle musste schon einmal jemandem als Unterkunft gedient haben, denn in einer Ecke waren dünne Aste und Reisig aufgeschichtet. Der kleine Vorrat genügte, um sich ab und zu ein Feuer zu gönnen. Als seien die zuckenden Flammen eine Verbindung mit der Wirklichkeit, sie wuchsen und fielen in sich zusammen wie das Leben, wurde sich Alexander dann seiner Lage bewusst. Depressionen überfielen ihn, er sah alles negativ und sinnlos: die Qualen der Haft und das Leid, die Flucht, seine Erinnerungen, besonders die an Hellen. Als habe jemand in seinem Kopf die Möglichkeit eingepflanzt, jederzeit aus seiner Scheinwelt, gebildet aus Fanatismus und Depressionen, in die Gegenwart zurückzukehren, genügte es Alexander in solchen Momenten, sich im Lichtschein des Feuers seine rechte Hand zu betrachten und dort die längliche Narbe: das Mal der Vergewaltigung. Wie ein Schwall meldete sich dann stets sein Lebenswille zurück.
    Alexander wusste nicht, wie lange er in der Höhle ausgeharrt hatte. Sein Vorrat an Trockenfleisch ging zur Neige, Brot hatte er längst nicht mehr. Nur noch einige Schwarten Speck waren ihm geblieben, auf denen er stumpfsinnig herumkaute und dabei ins Nichts stierte.
    Körperlich fühlte er sich einigermaßen frisch, was jedoch, wie er inzwischen wusste, nichts zu bedeuten hatte, als er mit dem Gewehr in der Hand hinauskletterte und Ausschau nach einem Tier hielt. Alexander traute sich nur wenige Meter von seiner Unterkunft weg. Warum, wusste er nicht, denn die schroffen Nadeln waren selbst in der Polarnacht deutlich zu sehen. Oder wusste er es doch? Wollte er sein Grab nicht verfehlen? Wenigstens im Tod ein Zuhause haben? Die Erinnerung an seine Großmutter durchzuckte ihn. Sie hatte sich, so erzählte es ihm sein Vater, schon zu Lebzeiten einen Sarg gekauft und ihn im Schuppen aufbewahrt.
    An diesem Tag schoss er

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