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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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glaubte Alexander zu verstehen. »Halte durch.«
    Sein Kopf wurde angehoben, jemand flößte ihm etwas ein. Alexander schluckte und hustete. Das Zeug brannte, aber er bekam es hinunter. Und dann wärmte es ihn von innen.
    Halb im Unterbewusstsein registrierte er, wie man ihn hochhob und auf etwas legte. Und das setzte sich dann Bewegung. Drehte er den Kopf, konnte Alexander den vorbeiflitzenden Schnee sehen. Aber Schnee kann doch nicht laufen.
    Er wusste nicht, was er zuerst wahrnahm Den Rauch eines Feuers oder den Duft von Essen? Vielleicht waren es auch die ungewohnten Geräusche um ihn herum. Alexander öffnete die Augen und starrte gegen eine graubraune, schräge Wand und bemerkte zuoberst ein hellblaues Loch. Genau durch dieses Loch zog Rauch ab, demnach musste es irgendwo ein Feuer geben.
    Alexander inspizierte seine Umgebung und blickte in viele Gesichter. Alle lächelten sie, einige nickten ihm zu. Sehen so Engel aus? Er drehte sich auf die Seite und schlief weiter.
    Das nächste Erwachen. Alexander fühlte sich angehoben, und jemand drückte etwas gegen seine Lippen. Eine kleine Holzschüssel. Automatisch begann er, die heiße Brühe zu trinken, und mit jedem Schluck kehrte etwas Kraft in seinen Körper zurück. »Danke«, murmelte er und war erstaunt über seine Stimme. Wie lange hatte er sie nicht mehr gehört. Wird im Himmel überhaupt gesprochen?
    Wenig später ahnte er, es konnte nicht der Himmel sein, denn er verspürte Schmerzen, und besonders stark schmerzte sein linker Fuß. Noch schlimmer, er brannte. Alexander winkelte das Bein an, weil er dachte, der Fuß sei zu nahe ans Feuer geraten. Aber das Brennen blieb.
    »Was ist geschehen?«
    Ein Frauengesicht beugte sich über ihn »Alles gut«, sagte sie. Und dann sprach sie in eine andere Richtung ein paar Worte, die Alexander nicht verstand.
    »Wo bin ich?«
    »Bei uns. In Sicherheit.«
    »Wer seid ihr?«
    »Eine Rentiersowchose.«
    »Und wo?«
    Hilflos blickte das Mädchen über die Schulter. Ein Mann trat in Alexanders Blickfeld.
    »Kennst du den Fluss Kotui?«
    »Nein.«
    »In seiner Nähe bist du.«
    »Aha.« Alexander schlief erneut. Wie lange, das wusste er nicht, denn für die Zeit hatte er kein Gefühl. Abermals wachte er durch das Brennen auf.
    »Was ist mit meinem Fuß?«
    »Wir haben dir zwei Zehen abgenommen«, antwortete der Mann von vorhin.
    »Und warum?«
    »Sie waren erfroren.«
    »Einfach abgenommen?«
    Der Mann nickte und zeigte Alexander ein Messer mit kurzer gebogener Klinge, der Griff bestand aus einem Stück Geweih. »Einfach abgenommen. Es musste sein.«
    »Wer seid ihr?« fragte Alexander erneut.
    »Wir gehören zum Stamm der Ewenken.«
    »Du siehst aus wie ein ... Mongole.«
    »Ja, so ähnlich.« Der Fremde lachte, und seine Augen verschwanden fast hinter den Wülsten des Jochbeines. »Wahrscheinlich wegen unserer Vorfahren, sie stammen aus der Mandschurei.«
    »Wie heißt du?«
    »Urnak. Und du?«
    »Alexander.«
    »In deinem Ausweis steht David.«
    Alexander erschrak. »Der ist nicht von mir.«
    »Habe ich mir gedacht.«
    »Was sprecht ihr für eine Sprache? Ich kann nichts verstehen.«
    »Sie hat ihren Ursprung im Mandschu-Tungusischen. Aber so genau weiß das keiner.«
    »Und wo hast du Russisch gelernt?«
    Urnak lachte erneut. »Wir leben doch in Russland.«
    Und wieder schlief Alexander. Jede Stunde rückte er ein Stück näher an die Normalität. Körperlich noch fühlte er sich schwach, aber sein Kopf funktionierte wieder einigermaßen. Wie ein Puzzle rekonstruierte er zwischendurch die Vergangenheit, einige der wichtigsten Stücke schienen noch zu fehlen.
    Im Halbschlaf bekam er mit, wie man seine rechte Hand behandelte, mit einer Paste bestrich und in einen kühlenden Umschlag verpackte. Und er registrierte, wie eine Frau etwas in einem Holzteller zerstampfte, kleine grüne Schnipsel darüber streute, wieder und wieder darauf spuckte und das Ganze verrührte. Anschließend packte sie seinen Fuß aus und verteilte die breiige Masse an der Stelle, an der sich einmal die beiden Zehen in guter Nachbarschaft wohl gefühlt hatten.
    Tarike, so hieß die junge Frau, die sich meist um ihn kümmerte, verriet ihm, wie es zu seiner Rettung gekommen war. Yokola, der beste Fährtensucher der Sowchose, sei auf der Suche nach einem entlaufenen Ren gewesen. Schon zwei Tage. Plötzlich habe er es neben einem dunklen Fleck stehen gesehen. »Und dieser dunkle Fleck warst du.«
    »Dann hat er mich mit etwas zugedeckt, nicht

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