Der König von Sibirien (German Edition)
Wer wollte ihn kaufen?
Wieder sprach der Mann zu ihm. Dann erhob er sich - Alexander beobachtete ihn misstrauisch - und schaufelte Schnee auf die Seite.
Und in die Schneemulde legte er Alexander, der nicht mitbekam, dass er hochgehoben und transportiert: wurde. Kein Gefühl, kein Schmerz, nichts, fast angenehm der Zustand.
Anschließend breitete der Fremde etwas über ihn aus, nur Alexanders Gesicht ließ er frei. Alexander dachte, er werde beerdigt. Aber ich bin noch nicht tot, wollte er sagen. Kein Laut kam über seine Lippen.
Ein Knall. Automatisch schloss Alexander die Augen. Er bringt mich um. Er hat mir in den Mund geschaut und bringt mich um. Zu alt. Keinen Wert mehr. Aber Alexander konnte noch denken, zumindest glaubte er das. Und jetzt war auch wieder Licht zu sehen, als er blinzelte und den Mann anzuschauen versuchte. Neben sich bemerkte er stapfende Füße. Dann wurde Alexander mit etwas Schwerem belastet, es schien ihn fast zu erdrücken. Flüssigkeit lief in Alexanders Gesicht. Reflexhaft öffnete er den Mund. Zuerst schmeckte er es, dann roch er es auch: Blut. Er trank das warme Blut, sein Blut, wie er meinte. Und es tat gut, obwohl er Schwierigkeiten mit dem Schlucken hatte. Aber er trank.
Wieder sprach der Fremde zu ihm. Alexander trank weiter, ohne sich zu fragen, wo denn das viele Blut herkam. Seines konnte es doch nicht sein, dann müsste er ja inzwischen ausgelaufen sein.
Der Mann bückte sich, kam in Alexanders Blickfeld und deutete zuerst in Richtung Sonne, dann etwas weiter nach Westen. Er richtete sich auf, nickte noch einmal und verschwand.
Was will er mir damit sagen? Sonne weiter im Westen bedeutet Nachmittag. Was ist am Nachmittag? Meine Beerdigung?
Alexander hob langsam den Kopf und Sah zuerst nichts, denn vor ihm war ein Berg, ein kleiner Berg aus Haaren, und seitlich bemerkte er etwas Längliches. Weiter unten schien ein vertrockneter Strauch zu sein. Nein, bizarrer, eher wie .. wie ein Geweih. Wo soll denn plötzlich ein Geweih herkommen? Und vor ihm der Berg aus Haaren, fast wie das Fell eines Rens. Ja, genau, wo ist denn das Ren von vorhin? Alexander bemühte sich, den Kopf zu drehen, aber er konnte nicht über den Rand der Mulde schauen. Was ist das für ein Gewicht auf meiner Brust? Wo kommt plötzlich die Wärme her? Und das Gewicht? Alexanders Hand kroch unter der Abdeckung hervor und tastete. Aber er fühlte nichts, weil
er noch einen Handschuh trug. Mit dem Mund biss er in den Handschuh und befreite sich von ihm. Und dann tastete er erneut. In der einen Richtung war der Berg weich, in der anderen borstig, wie ein Fell. Wie ein Fell?
Alexander wollte sich aufsetzen. Dazu war er zu schwach, außerdem drückte ihn das Gewicht auf den Boden. Das warme, angenehme Gewicht. Allmählich dämmerte ihm, was geschehen war. Als seine Hand schräg an dem Berg vorbei glitt und in eine klebrige Masse griff, wabbernd und noch etwas warm, wurde ihm alles bewusst. Die Innereien des Rens, kombinierte er. Der Mann hat es erschossen, aufgeschlitzt und auf mich gelegt. Werden in dieser Gegend so die Menschen beerdigt? Opfert man Tiere?
Nein, nicht um mich zu beerdigen. Um mich ... zu wärmen. Zu wärmen? Das bedeutet doch, er kommt zurück. Genau, er kommt zurück. Die Sonne. Weiter im Westen, dann kommt er zurück. Warum kommt er zurück? Um mich zu retten. Mich zu ...
Alexander spürte in sich die zarten Regungen eines Hochgefühls. Ich werde gerettet. Er leckte seine Hand ab, auch sie schmeckte nach Blut. Dann versuchte er eines der länglichen Gebilde heranzuziehen. Es gelang nicht, das Bein war zu schwer.
Alexanders Finger krallten sich in das Wabbelnde, rissen daran, und immer wieder leckte er sie ab. Unter seinen langen Nägeln klebten kleine Stückchen, die er im Mund zergehen ließ. Es war auch einmal ein etwas größerer Fetzen darunter, aber er war zu schwach, ihn zu kauen. Als er ihn herunterschluckte, blieb er im Hals stecken. Alexander würgte und spie ihn aus.
Dann musste er eingeschlafen sein. Schöne Träume hatte er. In einem warmen Bett fand er sich wieder, und neben ihm schlief eine nackte Frau. Er streichelte ihre Haut, fühlte das Haar, aber immer, wenn er in das Gesicht schauen wollte, war da nur ein bleicher Fleck. Aus Verzweiflung schlief er wieder sein.
Sie rüttelten ihn wach. Das Gewicht auf seiner Brust war verschwunden. Alexander versuchte die Augen zu öffnen. Jetzt waren es plötzlich drei Gesichter, und eines sprach zu ihm.
»Wir helfen dir«,
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