Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
Sein Ziel war es, den Staat zu
    bekämpfen, der ihr so viele Jahre gekostet hatte. Und was tat er stattdessen? Er half ihm, die selbstgesteckten Ziele schneller zu erreichen, er biederte sich seinem größten Feind als Partner an. Zuerst einmal ging es bei nur darum, zu überleben, redete er sich heraus. Im Lager SIB 12 zahlte sonst nichts, das habe sogar Pagodin eingesehen. Was hätte mir der Kampf genützt? Anschließend die Flucht, ich musste untertauchen und mich ruhig verhalten. Später kamen sogar immerhin einige Soldaten, die mich verfolgt haben, auf dem gerade zugefrorenen Jenissei ums Leben. Das war doch auch schon ein kleiner Sieg ... eine kleine Schädigung ...
    Aber Alexander belog sich, denn die jungen Soldaten führten nur einen Befehl aus. Über sie konnte er den Staat nicht treffen, sondern höchstens dessen Rachegefühl schüren.
    Erst jetzt, rechtfertigte er sich, bin ich so weit, mir Vorteile zu verschaffen und mich, ähnlich wie Leonid, den Umständen anzupassen und mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Es ist, wenn überhaupt, nur eine Art Waffenstillstand, bis ich mich in einer besseren Situation befinde.

    Am kommenden Morgen waren sie schon sehr früh unterwegs, sie wollten den Tag ausnutzen. Zwei Stunden marschierten sie nach Westen, dann erreichten sie eine Allwetterstraße.
    »Ich weiß nicht, was die soll«, meinte Leonid. »Hier gibt es absolut nichts in der Nähe«.
    »Scheint aber befahren zu sein.« Alexander deutete auf die Spuren: frische Reifenabdrücke im feuchten Untergrund.
    Sie folgten der Straße nach Süden und schwenkten irgendwann von ihr ab. Leonid stapfte durch das dichte Unterholz, vorbei an Kiefern mit lachsfarbenen Stämmen, und beseitigte herunterhängende Äste, die ihn störten. Immer war ein lautes Krachen zu hören. Der Waldbewuchs wurde über dem Erdboden zusehends lichter, aber die Sonne harte keine Chance, das dichte Nadelwerk zu durchdringen.
    »Hier war ich noch nie«, fluchte Leonid, der eine Wurzel übersehen hatte und stolperte. »Wenn, dann wandere ich immer in die andere Richtung.«
    Sie machten Rast auf einer kleinen Bergkuppe mit Blick über die Umgebung, aßen mit Salz bestreutes Roggenbrot und eingelegte Gurken. Wodka hatten sie nicht mitgenommen, nur klares Wasser.
    »Fallt dir was an den Hängen auf?«
    Leonid blickte sich um. »Alle dicht bewachsen.«
    »Schau sie dir noch mal an.«
    Das tat Leonid und zuckte mit den Schultern.
    »Vergleiche die im Süden mit denen im Norden.«
    In Leonids Gesicht blitzte es. »Die im Süden sind flacher. Woher kommt das?«
    »Von der Sonne.«
    Leonid schaute skeptisch drein, und Alexander erklärte ihm, sie seien deswegen sanfter geneigt, weil durch den häufigeren Frostwechsel, bedingt durch die Sonneneinstrahlung, der Untergrund öfter auftaue und wieder friere. Und das führe zur Gesteinszermürbung und zum Hangfließen, der sogenannten Solifluktion. Während des Studiums habe ihn ein Professor darüber aufgeklärt, fügte er hinzu, als er Leonids fragenden Blick bemerkte.
    Sie marschierten weiter. Eine halbe Stunde später blieb Leonid verwundert stehen. »Schau dir das mal an, Kirjan.« Er zeigte die vielen Eindrücke im Boden. »Das sind schwere Lkw, wie bei ... bei Militär. Und hier ein Kettenfahrzeug.«
    Hundert Meter später standen vier Soldaten mit Gewehren vor ihnen. Leonid nahm es leicht. »Wohl im Manöver, was?«
    Die Soldaten hatten keinen Sinn für Humor und nahmen sie fest. Einer der Uniformierten machte mit seinem Funkgerät, das er auf dem Rücken trug, Meldung. Dann führten die Soldaten die beiden durch einen Hohlweg tiefer in die grüne Wildnis hinein. Allerdings kam ihnen die Straße ungemein gepflegt vor für russische Verhältnisse. An einer Gabelung ging es nach rechts, und gleich darauf sahen sie auf einer Lichtung ein Holzhaus mit zwei Geschossen.
    »Sag nur, die Armee hat auch Jagdhütten«, grinste Leonid.
    In dem Haus angekommen, verging ihnen der Humor. Ein Leutnant baute sich vor ihnen auf, sie mussten die Rucksäcke abliefern und ihre Taschen leeren. Zwei Soldaten verließen den Raum, die anderen stellten sich hinter ihnen an die Wand.
    »Wo ist eure Kamera?«
    Leonid antwortete: »War haben keine. Sind auf der Jagd.«
    Der Leutnant lachte und fühlte sich überlegen. »Zu Fuß mitten in der Taiga?« Einen besseren Witz hatte er noch nicht gehört. »Und eure Ausgangsstation?«
    »Eine Jagdhütte gleich in der Nähe des Witimbogens.«
    »Dann zeig mir mal wo die liegen soll.«

Weitere Kostenlose Bücher