Der König von Sibirien (German Edition)
sagten die Herren wenig später, die Statik würde nicht beeinträchtigt.
»Dann kann man das Beheizen des Betons in Zukunft viel einfacher lösen als bisher.«
Ratlos sahen sich die Experten an, danach fixierten sie Alexander mit Blicken voller Zweifel. Wie konnte ein einfacher Arbeiter so etwas behaupten? Sie waren doch die Spezialisten.
»Inwiefern?«
»Man legt in den Beton Schläuche und lässt durch diese warmes Wasser laufen.«
»Hm.« Die Ingenieure beratschlagten. Was jedem der zweihundert anwesenden Arbeiter sofort einleuchtete, sie brauchten fünfzehn Minuten, um dann doch zu keinem Ergebnis gekommen zu sein.
»Wie soll das denn technisch ablaufen, Genosse ...« Einer erkundigte sich nach Alexanders Namen. »Genosse Kirjan Morosow.«
»Indem man mit jeder Betonschicht diese Schläuche im vorgesehenen Abstand mit einbetoniert, schleifenweise und Lage für Lage. Anschließend lässt man das warme Wasser durchlaufen, bis der Beton abgebunden hat. Auf-und Abbauen der Häuschen entfällt somit.«
»Interessant.« Drei Minuten Pause. »Und wo wollen Sie das heiße Wasser herbekommen?«
Einer rief: »Aus einem Tauchsieder.« Alle lachten.
»Wenn es sein muss, von einem großen Kesselwagen, und zwar gleichzeitig und zentral für drei oder vier der Brückenpfeiler.«
Die Experten baten sich Bedenkzeit aus, um den Vorschlag zu prüfen. Das taten sie immer, wenn sie unvorbereitet mit Lösungsvorschlägen konfrontiert wurden, die nicht auf ihrem eigenen Mist gewachsen waren. Nach einer Woche kam die Zusicherung, man könne es ja mal probieren. Wo seien denn die Schläuche?
Genau das war das Problem. Alexander hatte schon mit Brigadier Leonid darüber gesprochen, und der wollte sich informieren, wo man sie auftreiben konnte. Da gebe es ein Werk in Ulan-Ude, erfuhr Leonid, etwa tausend Kilometer entfernt. Das war nicht viel für Sibirien, allerdings hätten die ihren Plan zu erfüllen und die Schläuche in ein Lkw-Werk nach Abakan zu schicken.
»Wie können wir deren Entgegenkommen beschleunigen?«
»Indem wir ihnen etwas anbieten, was sie unbedingt brauchen.«
Am nächsten Tag wussten sie es: Kupferdraht, um damit Rohmaterial für die Produktion der Schläuche einzukaufen.
»Wo kriegen wir, verdammt noch mal, den Draht her?«
Eine Woche später kam überraschend Besuch in die Gastiniza. Ein Mann, untersetzt und wohlgenährt und in einen Anzug gekleidet.
»Ich habe gehört, ihr braucht Schläuche?«
»Ja.« Alexander wunderte sich, wieso der Fremde davon wissen konnte.
»Und die gibt es nur gegen Kupfer.«
»Richtig.«
»Ich kann euch Kupfer besorgen, brauche aber fünf Stromgeneratoren und einen Lkw.«
Alexander und der Brigadier sahen sich an. »Geht nicht zu machen.«
»Dann müsst ihr euch eure Schläuche malen.« Der Mann wandte sich seinem Wodka zu.
»Wer bist du?«
»Ich organisiere«, antwortete er träge und ohne rechtes Interesse. »Das mit den Generatoren wäre doch kein Problem. Aber wo sollen wir einen Lkw herbekommen?«
»Eure Sache. Stehen doch genug herum.«
»Ein Kipper etwa?«
»Ein kleiner mit Plane genügt. Siebentonner.«
»Und wie viel Meter Schläuche bekommen wir dafür?«
»Zehntausend.«
» Zwanzigtausend.«
»Zwölftausend.«
» Zweiundzwanzigtausend.«
Der Organisierer stutzte. »Bist wohl nicht ganz klar, was?«
»Dreiundzwanzigtausend.«
Als der Mann verwundert nachfragte, wieso er ihm nicht entgegenkomme, antwortete Alexander: »Wir müssen den Lkw loseisen, und das kann uns einige Jahre einbringen. Falls wir keine Schläuche bekommen, verzögert sich unsere Arbeit lediglich um vier bis sechs Wochen, aber sie wird schließlich doch gemacht. In diesem Fall habe ich also keinen Vorteil und keinen Nachteil.«
»Gut, zwanzigtausend Meter.«
»Innerhalb von zehn Tagen. Und für jeden von uns«, Alexander deutete auf den Brigadier und sich, »noch zweitausend Rubel.« »Nie und nimmer.«
»Dreitausend«
»Gut, dreitausend « Zerknirscht bestellte der Organisierer Wodka. Jedes Geschäft musste begossen wenden. »Seit wann bist du denn in dem Metier tätig«, wollte er von Alexander wissen.
»Seit heute.«
Der Organisierer hielt Wort. Die Zeit war noch nicht um, als die Schläuche geliefert wurden. Und dass die Generatoren fehlten, hatte noch niemand bemerkt, weil man sie im Augenblick nicht benötigte. Allerdings gab es Aufregung wegen des verschwundenen Lkw.
Überall wurde gesucht, die Miliz und die Streckenpolizei schalteten sich ein, aber er blieb
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