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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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besser gehen, er habe auch kein Auge zugemacht.
    »Minsk hat mit dir gesprochen?«
    »Durfte er das nicht?«
    »Minsk darf alles. Keinem vertraue ich so wie ihm.«
    Nikolai beschäftigte sich mit seinem Ei, Alexander nippte am Mokka. Er bekam ihn jeden Morgen serviert und immer wieder zwischendurch, ohne Aufforderung.
    »Ich weiß, wie du Sprecher des Bundes geworden bist.«
    Nikolai schaute auf. »Deine Augen klagen mich an. Habe ich damals etwas Unrechtes getan?«
    Alexander schwieg.
    »Es ging nur um das entscheidende Pünktchen, das den Ausschlag geben sollte. Und mein Blinddarm hat mir dabei geholfen.«
    Alexander ging nicht auf die Bemerkung ein. »Warum hast du mir nichts von deiner Krankheit erzählt?«
    »Ich wollte dich nicht damit belasten und sie nicht benutzen, so wie den Blinddarm, um dich in deiner Entscheidung zu beeinflussen. Wird das hier«, Nikolai umschloss mit einer unsicheren Handbewegung den Raum, »wird das hier dein Zuhause werden?«
    Alexander antwortete nicht.
    »Wie lange lässt du mich denn noch warten?«
    »So lange, bis ich deine Geschichte vollständig gehört habe.«
    »Ich habe dir alles erzählt«, erwiderte Nikolai verschlossen.
    »Nein.«
    Verwundert sah er Nikolai an.
    »Du hast mir nicht gesagt, dass es Gogol war, der deinen Vater erschossen hat. Derselbe Gogol, der die Lkw überfallen und deine Tochter entführt hat und den du zu deinem Neujahrsfest eingeladen hast.«
    »Hat Minsk .. .«
    »Um dich kennenzulernen und einschätzen zu können, brauche ich Minsk nicht.«
    »Wie bist du darauf gekommen?«
    »All dein Streben hat nur einen Sinn. Und dieser Sinn wird von einer großen Kraft genährt: Hass.«
    »Wie bei dir.«
    »Wie bei mir. Du hasst diesen Gogol bis aufs Blut. Stünde er auf dieser Seite, auf der Seite des Bundes, du wärest auf der anderen.«
    Nikolai lehnte sich zurück und überlegte. »Du könntest recht haben«, gab er nach einer Weile zu.
    »Gogol war es wohl auch, der sich gemeinsam mit dir beworben hat. Auch er wollte Sprecher des Bundes werden.«
    Nikolai erschrak.
    »Aus Wut und Enttäuschung hat Gogol anschließend gegen dich gearbeitet und sich mehr und mehr der Gruka bedient. Er, als immer noch angesehener Mann mit Beziehungen zu Genossenschaften und Funktionären, wurde zu einem Täter mit ... wie sagt man«
    »Täter mit weißer Weste. Verdammt, das kann doch nur Minsk dir ins Ohr ...« Nikolai brach ab und studierte Alexanders Gesicht.
    Der sah den Sibiriaken nur an. Als Nikolai der Blick unangenehm wurde, sagte der jüngere: »Du hast gute Arbeit geleistet, wir sind uns wirklich sehr ähnlich. Außerdem kann ich dich verstehen, weil ich genauso gehandelt hätte. Was man sich in den Kopf setzt, soll man auch durchführen. Die Frage, ob es sinnvoll oder sinnlos ist, wird dann zweitrangig. Entscheidend ist das Tun.«
    Nikolai schien erleichtert zu sein. »Das klingt ja so, als hättest du auf einmal ein Ziel.«
    »Möglich.«
    »Bedeutet das, du hast dein Zuhause gefunden?«
    »Ja.«
    Nikolai kam um den Tisch und nahm Alexander in die Arme. Lange drückte er ihn, und seine Stimme klang belegt, als er sich bedankte. »Ich wusste es«, sprach er leise zu sich selbst, während er wieder Platz nahm.
    »Die Wahl des Sprechers: Wann soll sie sein?«
    »Dieses Jahr im Sommer. Allerdings gibt es noch ein kleines Hindernis. Du hast einen Konkurrenten. Es gibt immer einen Konkurrenten.«
    »Aber mir gestehst du die größeren Chancen zu.«
    »Ja. Außerdem schlage ich dich vor. Und wen der Sprecher vorschlägt, der hat ein dickes Plus.«
    »Nikolai, du verschweigst mir doch etwas.« Der Ältere nickte.
    »Hat es was mit dem Konkurrenten zu tun?«
    Wieder nickte er.
    »Wer ist es?«
    »Jewgenij, Gogols Sohn.«

    Als müsse er die restliche Zeit seines Lebens ausnutzen, verbrachte Nikolai jede Minute mit Alexander. Für den Jüngeren war es erstaunlich, wie beliebt der Sibiriake war. Freundlich wurden sie gegrüßt, wenn sie einmal ohne Leibwächter durch Kirensk spazierten. Waren sie beim Stadtsowjet, dann öffneten sich auf wundersame Weise alle Türen für Nikolai. Man hörte ihm mit Interesse zu, kein Wunsch wurde ihm abgeschlagen, überall nur Entgegenkommen und Bereitschaft. Nikolai konnte auch ungemein charmant sein, wenn er es darauf anlegte, etwas Bestimmtes zu erreichen. Sogar gegenüber dem höchsten Parteifunktionär Urgan Besmertisch, den Nikolai als seinen zweitgrößten Feind bezeichnete, gelang ihm dies. Sehr oft suchte ihn der feiste Besmertisch

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