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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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dann wissen, mit wem ich unterwegs bin.«
    Auf einer breiten, vorzüglich ausgebauten Straße, US-Präsident Dwight D. Eisenhower hätte sie 1960 anlässlich eines Staatsbesuchs benutzen sollen, fuhren sie von Irkutsk nach Südosten, immer der Angara entlang. Noch war der See, eine majestätische, ebene Unendlichkeit, zugefroren. Alexander erzählte Larissa von den seltsamen Wetten, die er meist gewonnen hatte: Wer im Herbst der erste und im Frühjahr der letzte bei der Ü-berquerung der vierzig Kilometer langen Strecke zwischen Listwjanka und dem gegenüberliegenden Kedrowaja war. Im Winter kann einem wegen der Einsamkeit die Entfernung vor, als befinde man sich mitten auf einem vereisten Ozean.
    Abends im Hotel sprach Larissa ihn auf seine Entscheidung an. Nebenbei erwähnte sie, dass ihr Vater in ihn sehr viel Hoffnung setze.
    »Soll das ein Hinweis sein, ihn ja nicht zu enttäuschen?«
    »Genauso habe ich es gemeint. Ich liebe meinen Vater. In zwei Monaten werde ich mit meiner Prüfung fertig sein, dann gibt es für mich nur noch ihre«
    »Seit wann weißt du von seiner Krankheit?«
    »Minsk hat mir vor einem guten Jahr davon erzählt. Ja, so ist Nikolai. Nur nicht andere mit den eigenen Problemen belästigen, stets für alle da sein und sich selbst dabei vergessen. Weißt du, wann mein Vater das letzte Mal Urlaub gemacht hat?«
    Sie beugte sich zu ihm, er registrierte den traurigen Ausdruck in ihren Augen. »Ich kann mich nicht erinnern. Noch nie habe ich ihn entspannt gesehen. Immer war etwas zu tun, oder er hatte jemandem zu helfen. Dir wird es auch so gehen, wenn du dich voll in die Sache hineinkniest.«
    »Willst du mich davon abbringen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann Menschen nur bewundern, die so sind wie mein Vater.«
    Alexander reagierte unwillig. »Jeder vergleicht mich mit ihm. Minsk sagt, ich sei, wie er in seiner Jugend war, und Nikolai meint, er und ich, uns verbinde die Fähigkeit, zu hassen.«
    Larissa senkte den Kopf und schaute auf ihr Glas. »Euch verbindet noch etwas.«
    »So?« Alexander beobachtete sie von der Seite. »Da bin ich aber neugierig.«
    »Die Fähigkeit, zu lieben.«
    Alexander versteifte sich. Wollte Larissa ihn erneut drängen und überreden, ihr seine Vergangenheit zu offenbaren?
    »Mein Vater hat meine Mutter geliebt, wie nur ein Mann eine Frau lieben kann. Und er liebt sie immer noch. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.«
    »Er hat es mir gesagt.«
    »Du liebst auch immer noch eine Frau. Und du bist unglücklich. Ich merke es. Eigentlich schade.«
    Er schaute auf seine Hände und schwieg.
    »Wenn ich als Kind schlecht geträumt habe, erzählte ich es am anderen Morgen meinem Vater. Der half mir dann auf sehr einfache Art und Weise. >Siehst du den bösen Geist auch jetzt?< fragte er mich. Natürlich sah ich ihn nicht mehr. >Dann mach bitte die Augen zu. Und wie ist es nun?< Selbstverständlich war er weg, und das beruhigte mich. Nicht, dass ich deine Liebe mit einem schlechten Traum vergleichen möchte, aber vielleicht hilft es, wenn du darüber sprichst, so wie es mir immer geholfen hat.«
    Immer noch betrachtete er seine Hände.
    »Du versuchst deine Gefühle zu verdrängen und hast dazu bestimmte Mechanismen entwickelt. Damit dich auch ja nichts an die Vergangenheit erinnert, blockst du jedes Gespräch und noch mehr jedes emotionale Engagement ab. Robert, du belügst dich ständig.«
    Als Alexander nicht reagierte: »Wie tief ist der Baikalsee?«
    Konsterniert sah er sie an. »Etwa 1700 Meter, wenn ich mich nicht täusche.« Und dann verstand er ihre Frage. »Du meinst, meine Gefühle seien ...?«
    Larissa schaute ihn nur mit ihren dunkelbraunen Augen an. Ihm war der Blick unangenehm.
    Vieles in Alexander sträubte sich, allein seine Vernunft riet ihm, mit Larissa über Hellen zu sprechen, weil er einen Menschen brauchte, dem er vertraute und der ihm zuhörte. Und sie hörte zu, ohne eine Frage zu stellen. Als er geendet hatte, sagte sie: »Ich glaube, jetzt kann ich dich besser verstehen. Verzeih mir bitte mein Verhalten am Neujahrstag.«

    An diesem Abend diskutierten sie lange. Mitternacht war längst vorbei, als Larissa Näheres über die Wolgadeutschen wissen wollte. Warum sie nach Russland gekommen seien, was sie an dem Land gefunden hätten, ob sie es mittlerweile als ihre Heimat betrachteten. Alexander kannte sich nicht sonderlich in seiner eigenen Geschichte und der seiner Vorfahren aus. Was er wusste, stammte überwiegend aus dem Koffer seiner

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