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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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die Lippen glitt, sehr bedauerlich.
    Die Frau ließ sich Zeit, als genieße sie diesen seltsamen Geschlechtsakt unter den Blicken so vieler Zuschauer. Immer, wenn das Stöhnen der Männer dem Höhepunkt zustrebte, stieg sie um zum anderen. Aber mit der Zeit bemerkte Alexander, dass deren Stöhnen nicht so lustvoll klang, wie man es eigentlich erwartet hätte. Eine gute Portion Schmerz war offenbar dabei.
    »Welche Funktion haben denn die vier Gestalten, die drumherumstehen und die Männer beobachten?«
    »Ihnen bei jedem Fluchtversuch einen Finger abzuschlagen.« Alexander glaubte sich verhört zu haben, aber Nikolai wiederholte seine Antwort.
    »Und warum sollten sie fliehen?«
    Nikolai warf Alexander einen schnellen Blick zu und schaute dann wieder nach vorn.
    Erneut bediente die Frau einen der sexuell Erregten, dessen erigiertes Glied auf sie wartete. In den Augen des Mannes standen jedoch, ganz im Gegensatz zu seiner stolzen Männlichkeit, Angst und Schrecken.
    Und so ging das wohl eine Stunde. Aus dem Stöhnen war längst Wimmern geworden, dann sogar schmerzliches Winseln. Schweißnass glänzten die Körper der Malträtierten. Schließlich gab der alte Mann von vorhin, ein Seman, der sich mit Seelen, Göttern und mit der Heilung auskenne, wie Nikolai erklärte, ein Zeichen. Die Frau ritt nun heftiger, die Männer schrien und tobten und zuckten auf dem Boden und wurden schließlich durch den Orgasmus erlöst. Als ihr Glied erschlaffte, sah Alexander Blut unter dem Leder austreten.
    »Nikolai, was wurde hier gespielt?«
    »Die beiden hat man dabei erwischt, wie sie eine Frau vergewaltigt haben.«
    »Und man bestraft sie ...«
    »... auf eine besondere Art, wie du gesehen hast, indem man ihnen einen Beutel, gefüllt mit Diamantsplittern, über den Penis stülpt.«
    »Ekelhaft.«
    »Aber sehr wirkungsvoll. Ich glaube, die Jakuten kennen keine Rückfallquote.«

    Die vielen Eindrücke begannen zu wirken. Land und Leute und Sitten, Nikolai und der Bund. Alexander fühlte sich durch die auf ihn zukommende Aufgabe zwar nicht überfordert, dafür aber permanent verunsichert. Wenn es für ihn immer noch ein Bedürfnis war, die Sowjetunion zu schädigen, wie hätte er sonst in den vergangenen Jahren so viel Kraft und Motivation aufbringen können, dann dürfte er Nikolais Vorschlag erst gar nicht annehmen. So wie Nikolai und der Bund zum Wohle der Bevölkerung gewisse wirtschaftliche und organisatorische Schwächen auszubügeln versuchten und dadurch indirekt Administration und Parteiapparat unterstützten, würde er zwangsläufig auch handeln müssen, wollte er nicht die in ihn gesetzten Erwartungen unterlaufen.
    Will ich noch der Einzelkämpfer sein, der allein seinen Weg geht, immer auf der Flucht ist und irgendwann als Namenloser beerdigt wird? Im Grunde genommen nicht mehr, gab er zu, denn aus heutiger Sicht kam es ihm mehr und mehr vor, als hätte er Monate und Jahre vergeudet und unverantwortlich mit seinem Leben gespielt. Natürlich fand Alexander für sein damaliges Verhalten sofort eine abrufbereite Entschuldigung: Es ging ja überhaupt nicht anders, man hat mich doch immer wieder zur Flucht getrieben. Aus seiner Sicht mochte das stimmen, allerdings musste er sich auch eingestehen, andere Möglichkeiten erst gar nicht in Betracht gezogen zu haben. Schon bei den Ewenken und Tarike hätte er für immer untertauchen können, damit wäre seine Wanderschaft bereits vor längerer Zeit beendet gewesen. Um seine Verunsicherung zu mäßigen und um sich zu vergegenwärtigen, welche Aufgabe auf ihn zukam und welche Perspektiven er hatte, bemühte er sich, einige Jahre vorauszudenken. Was ist mein Ziel, was kann ich als Sprecher des Bundes erreichen? Alexander musste sich eingestehen, dass er noch kein eigenes Ziel formuliert hatte und vorerst beabsichtigte, Nikolais Arbeit fortzuführen. Vielleicht, so überlegte er, ergibt sich die Chance, später eigene Schwerpunkte zu setzen.
    Um nicht vollständig die Glaubwürdigkeit vor sich selbst zu verlieren, sich nicht die Sinnlosigkeit seines bisherigen Handelns eingestehen zu müssen, kam bei dem Zwiespältigen dann doch wieder die alte Anschauung durch. Indem ich mich für den Bund engagiere, redete er sich ein, schädige ich womöglich den Staat, sei es auch nur, weil ich sein Handelsmonopol unterlaufe.
    Als gelte es, seine fadenscheinige Ausrede zu untermauern, erinnerte er sich unvermittelt an die Begegnung mit dem Ingenieur Antropowitsch und die geheimen Pläne von

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