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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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militärischen Objekten. In drei Wochen musste er wieder einen Blumenstrauß auf das Grab seiner Mutter stellen. Vergangenes Jahr noch hatte er es selbst getan, diesmal wollte er jemanden damit beauftragen.
    Der Gedankensprung zu Antropowitsch half Alexander, ohne nennenswerten Gesichtsverlust eine akzeptable Lösung zu finden. Ich werde Nikolais Nachfolger, muss jedoch unterscheiden zwischen dem Land, zwischen Sibirien und seiner Bevölkerung, die nicht verantwortlich ist für den politischen und wirtschaftlichen Zustand, und dem Willkürapparat in Moskau. Deshalb sammle ich auch weiterhin soviel Material wie möglich über diese versteckten Einrichtungen. Dann kann ich später immer noch entscheiden, was ich ...

    Sie flogen nach Japan, und Alexander war anfangs mulmig zumute. Nie hätte er sich träumen lassen, dass es so einfach sein könnte, das Land zu verlassen. Aber Nikolai hatte die Papiere organisiert, sie passierten alle Kontrollen, und es gab keine Beanstandung. Ihren mit amtlichen Stempeln versehenen Unterlagen zufolge genossen sie den Status von Wirtschaftsfachleuten, die auf dem Weg zu wichtigen Verhandlungen waren, was ja im Grunde auch stimmte. Sein erster Aufenthalt in Japan vor zwanzig Jahren, das sei noch ein Abenteuer gewesen, erzählte Nikolai. Mit dem Schiff nahe an die Insel Sachalin heran, von dort heimlich weiter hinaus auf das offene Meer und in einen japanischen Kutter umgestiegen, und das alles bei Windstärke neun. Und im Winter sei er über das zugefrorene Meer gewandert.
    In Tokio wurden sie am Flugplatz von Sato begrüßt, den Alexander vor einigen Monaten in Bratsk kennengelernt hatte. Der Japaner fühlte sich verpflichtet, Alexander, den die geballte Fremdartigkeit verwirrte, die Vielmillionenstadt zu zeigen. Glaubte man den politischen Agitatoren in der Sowjetunion, dann stand der Westen kurz vor dem Untergang, dem totalen wirtschaftlichen Ruin. Was für ein schöner Showdown musste das werden, bei so vielen Lichtern, unzähligen Autos, freundlichen, zufriedenen Menschen, flackernden Neonreklamen, überfüllten Geschäften und der Unzahl von Restaurants. Selbst um Mitternacht flaute das weltstädtische Leben nicht ab, Kinos lockten mit Lichtbändern und Bars in Schaukästen mit verführerischen Fotos von nackten Frauen. Tokio war aus Alexanders Sicht ein beleuchteter Ameisenhaufen.
    Sato lud sie zum Essen ein, allein die Teezeremonie dauerte annähernd drei Stunden. Alexander genoss die Ruhe und die entspannte Situation. Mit keinem Wort wurden geschäftliche Dinge erörtert. Alexander, der zum ersten Mal einer Reizüberflutung ausgesetzt war, stahl mit den Augen. Alles versuchte er in sich aufzunehmen und es, im Gegensatz zu einem Schwamm, der sich mit Wasser voll saugt und es auf leichten Druck hin wieder hergibt, für alle Ewigkeit zu speichern. Nikolai, der ihn beobachtete, gefiel das.
    Sato sah in Alexander seinen zukünftigen Geschäftspartner, entsprechend zuvorkommend behandelte er ihn. Er zeigte dem Wissbegierigen die Sportstätten der Olympischen Spiele von 1964 und flog mit ihm zu denen der letzten Winterspiele nach Sapporo. Ein Fußmarsch auf den heiligen Berg Fuji-san stand genauso auf dem Programm wie eine Fahrt mit dem Shinkansen, dem neuen Hochgeschwindigkeitszug. Gedanklich versuchte Alexander die Möglichkeiten dieses legendären Zuges auf sibirische Verhältnisse zu übertragen. Nur durch ein schnelles und sicheres Massenverkehrsmittel, überlegte er, sei die Weite des Landes und seine Erschließung einigermaßen in den Griff zu bekommen.
    Das eigentliche Geschäftliche hatten sie schnell geregelt. Zuerst legte Sato ihnen Pläne vor, und Alexander erkannte sofort, dass es sich um die eines Containers handelte.
    »War haben uns gedacht, dass wir einige der Container verändern müssen, um größere Dinge transportieren zu können«, übersetzte ein zweiter Japaner. Sato zeigte an Hand der Schnittzeichnungen, was er meinte. »Wenn wir bei einem Sechzig-Fuß-Container zehn Fuß vor der Rückwand eine Zwischenwand einziehen, können wir bei jeder Lieferung annähernd hundertfünfzig Fernsehgeräte verstecken, macht im Monat etwa zweitausend Einheiten.«
    »Gut.« Nikolai nickte.
    »Der Zoll werde nichts merken?«
    »Nur, wenn er den Container innen vermisst. Dazu hat er ihn aber aus-und wieder einzuräumen.«
    Zu Alexander gewandt, meinte Nikolai: »Du darfst es den Burschen in Wladiwostok nicht zu leicht machen. Am liebsten würde ich Murmeln transportieren oder

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