Der König von Sibirien (German Edition)
konnte hei den Jakuten, Burjaten oder Tuwinern nie geschehen. Die haben auf ihre Art ein ausgeprägtes Gespür für Gerechtigkeit.«
Als gelte es, den Beweis anzutreten, machten sie auf dem Rückweg in Oimjakon - Sibiriens Kältepol mit dem bisher gemessenen Rekord von minus 78 Grad - Station bei den Jakuten. Ihretwegen arrangierten sie ein Fest, diverse Fleischsorten wurden gebraten, Wurzeln gedünstet und Süßkartoffeln mit Rahm aufgetischt. Zur Unterhaltung veranstalteten die Jakuten Geschicklichkeitsspiele und Wettkämpfe mit den verschiedensten Waffen, ein Messerkampf endete für einen Jakuten mit einem tiefen Stich unterhalb der kurzen Rippe und einer Notoperation im dreißig Kilometer entfernt liegenden Krankenhaus von Oimjakon.
Gegen Abend luden die Einheimischen sie zu einer »Wiedergutmachung« ein.
»Was soll wieder gut gemacht werden?«
»Lass dich überraschen, Robert.«
In der großen, durch Petroleumlampen erhellten Hütte, von außen hatte man die Ritzen zwischen den Holzstämmen mit Lehm und Erde abgedichtet, das Dach bestand aus Reisig und Gras, drängten sich Männer und Frauen. Alle Sitzgelegenheiten waren belegt, Füße scharrten erwartungsvoll über den unebenen, gestampften Boden, und auf den schmalen Holztischen sah Alexander viele Schnapsflaschen stehen, deren Inhalt ständig schrumpfte.
»Ich kann es nicht mehr ertragen, wie sich ein altes Volk selbst zerstört. Immer öfter bekämpfen sie ihre Einsamkeit und die zivilisatorisch bedingte Leere mit Alkohol«, raunte ihm Nikolai zu. »Alkohol ist das eigentliche Problem Sibiriens, nicht die Kälte.«
Sie nahmen die für sie reservierten Plätze nahe einer kleinen freien Fläche ein. Nach wenigen Minuten trat aus einem Nebenraum ein alter Mann. Er war in einen dicken Pelz gekleidet und trug eine bunte Kopfbedeckung. Zuerst wurde Nikolai vorgestellt, viele der Anwesenden benutzten die Gelegenheit, die Flasche anzusetzen und auf sein Wohl zu trinken. Dann kündigte der Alte etwas in einer Sprache an, die Alexander nicht verstand. Neben ihnen saß ein Jakute, der mit glänzenden Augen und vielen Gesten übersetzte, gleich beginne die Wiedergutmachung. Dabei lachte er über das ganze Gesicht, als hätte er Anlass zur Freude.
Aber es dauerte und dauerte. Nikolai musste viele Hände ertragen, die sich auf seine Schulter legten oder aus halber Höhe nach unten sausend die Festigkeit der Muskulatur überprüften. Mehr als zwei Stunden Palaver und das Kreisen der Flasche, hie und da stimmte jemand ein Lied an in einer für Alexander ungewohnten Tonfolge, um sogleich wieder abzubrechen. Männer kamen, andere verließen die Hütte. Schwer staute sich die abgestandene Luft, ein Gemenge aus Körperdünsten, ranzigem Fett, gegerbtem Leder und Wodkaschwaden.
Endlich tat sich etwas. Einige der Petroleumlampen wanden gelöscht, an der Stirnseite des Raumes machte man Platz. Zwei Männer, ihre Körper waren unter einem bunt bestickten Umhang verborgen, lediglich nackte Füße und Waden konnte Alexander sehen, wurden hereingeführt. Die beiden sahen nicht eben glücklich aus.
Nikolai ahnte, worum es ging. Er seufzte, gab allerdings keine konkrete Antwort, als Alexander Näheres in Erfahrung bringen wollte. »Eine seltene Art von Humor haben die Jakuten manchmal«, äußerte er sich vage.
Jemand nahm den beiden Männern den Umhang ab, darunter waren sie nackt. Verschämt senkten sie den Kopf, und ihre Hände bedeckten die Region unterhalb des Bauchnabels.
»In was haben die denn ihr Ding gesteckt?«
»Einen Lederbeutel.«
»Warum?«
»Warte ab.«
Wenige Minuten später betrat eine ungemein dicke Frau die Freifläche. Sie war weit über vierzig, die Haare lang, fettig und mit grauen Strähnen durchsetzt, und bei jedem Schritt wabbelte ihr Bauchring. Die Jakutin ging breitbeinig, weil die Oberschenkel sich um den Platz stritten.
»Kruschta wird alles wiedergutmachen«, flüsterte Nikolai. In seinem Gesicht spiegelten sich Anspannung, verhohlene Neugier und Ablehnung.
Die beiden Unbekleideten mussten sich nebeneinander auf den Boden legen, die Frau hockte sich dazwischen, und mit je einer Hand spielte sie an den Geschlechtsteilen, die jeweils in einem dunklen Lederbeutel steckten. Die Beutel füllten sich, wurden prall, die Behandelten begannen zu stöhnen, und die Dicke hockte sich abwechselnd über sie. Ihre weiten Kleider verbargen die intimen Stellen vor den Blicken der Neugierigen. Das fanden einige der Anwesenden, deren Zunge suchend über
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