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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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kommen.«

    Die Zobeljagd am Tag darauf - lange Zeit galten die putzigen Tiere aus der Familie der Marder im Bestand als gefährdet und konnten nur durch Schonzeiten und Naturschutzgebiete vor dem Aussterben bewahrt werden - sollte genauso unromantisch verlaufen wie die Pirsch auf den Bären. Geriak zeigte nach dem Frühstück, als sie sich Schneeanzüge überstreiften, auf Alexanders Stiefel und bedeutete ihm wegen der Kälte, seine Füße mit einem Filztuch zu umwickeln. Anschließend drückte er ihm ein Gewehr in die Hand.
    Zuerst suchten sie die Stellen auf, an denen Lekke in den Tagen zuvor Fallen aufgestellt hatte. Dazu hatte er einen astlosen Stock in den Boden gerammt und auf ihm einen Köder angebracht, meist Eichhörnchen oder Hühnerteile. Der Zobel konnte diesen Stock nicht erklimmen, deshalb war seitlich ein ansteigender Stamm aufgestellt, der kurz vor dem Köder endete. Auf diesem Stamm hatte Lekke mit Draht ein Tellereisen befestigt. Wollte der Zobel nun die vermeintliche Beute anspringen, dann war er zwischen den zuschlagenden Bügeln der Falle gefangen und würde bei der Kälte, da er sich nicht befreien konnte, in wenigen Stunden erfrieren. Vier Tiere waren in die Falle gegangen, und die Art, wie man sie erlegte, ließ Alexander den Mantel aus diesen wunderschönen, zarten, braunen Fellen, den Nikolai seiner Tochter Larissa vorletztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, aus einem anderen Blickwinkel sehen. Aber er behielt seine jagdethischen Überlegungen für sich, schließlich war er Gast der Jakuten.
    Auch als sie am Nachmittag einen Zobel in einer vom Frost gespaltenen Espe aufspürten, der verängstigte Räuber höher kletterte und sich in der Krone versteckte, woraufhin die Jakuten den Stamm anzündeten, bis einer das Tier schließlich mit einem Schuss erlegen konnte, enthielt sich Alexander jeglicher Wertung. Allerdings fragte er sich in diesem Zusammenhang fortwährend, wie er das seltsame Gespräch mit Geriak über die angemessene und körpergerechte Form der Bestrafung zu verstehen habe.
    Zwei Tage später und nach vielen erlegten Auer-, Birk-, Hasel-und Rauhfußhühnern, die Geriaks Begleiter nur so zum Spaß vom Himmel holten, ohne sie zu verzehren, wie es eigentlich Brauch gewesen wäre, konfrontierte man ihn mit der brutalen Umsetzung des überlieferten Rechts. Im Beisein von Alexander wurde der Jakute, der Schuld am Tod eines anderen haben sollte, dazu verurteilt, mit einer Eisenkette an einen für ihn unerreichbaren Ast gebunden zu werden.
    Das Urteil wurde sofort vollstreckt, den geeigneten Baum hatte man schon ausfindig gemacht. Er stand tief im Wald, eine alte Kiefer mit mächtigem Stamm und aufgeplatzter Rinde. An einem der weit ausladenden Äste befestigten die Jakuten in ungefähr vier Meter Höhe die Kette. Anschließend kam das andere Ende so um das linke Handgelenk des Delinquenten, dass es immer über Kopfhöhe war. Mit der Rechten konnte er die Linke umfassen, sich aber nicht mit der angeketteten am Hals kratzen. Zum Abschluss drückten sie dem Verurteilten noch ein Messer in die Hand. Kurz darauf verschwanden die Jakuten, ohne auf das Flehen des Mannes um Gnade zu hören.
    »Was soll das Ganze?« fragte Alexander verwirrt.
    »Nun, du hast doch gesagt, zwei Jahre Gefängnis entsprechen einer Hand.«
    »Schon. Aber ihr habt ihn mitten in der Taiga an den Baum gefesselt. Er kommt nie mehr von ihm los. Es gibt Wölfe hier und Bären.«
    »Er kommt los.«
    »Das kann nicht sein, ich habe es selbst gesehen.«
    Geriak sah ihn mit der Weisheit seines Volkes an. »Er hat doch ein Messer.«
    »Was soll er denn damit?«
    Als sei es das einfachste auf der Welt und der Schlüssel aller Logik: »Sich die linke Hand abschneiden.«

    Er brachte sogar ein Geschenk mit für Larissa, und er strahlte über das ganze Gesicht. Gerne habe er die Einladung angenommen, verkündete er und grinste selbstgefällig. Hübsch bunt sah er aus in seiner Uniformjacke mit den vielen Orden, als er neben Alexander in das Kaminzimmer ging. Aber dort war nur für zwei Personen gedeckt, der Besucher schien mit mehr gerechnet zu haben. »Nur wir beide?«
    »Ja, Besmertisch. Bitte nimm Platz.«
    Alexander lobte die Großzügigkeit des Funktionärs und dessen Weitsicht. »Auf eine gute Zusammenarbeit!« Sie prosteten sich zu.
    Besmertisch ließ es sich munden. Erstaunlich, was er alles vertilgen konnte. Zwischendurch öffnete er den Gürtel seiner Hose, anschließend auch noch die Knöpfe. Das Essen fand er

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