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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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nach.«
    Leonid und noch zwei Männer machten sich mit Alexander auf den Weg zur fünfzig Kilometer entfernten Hütte. Immer wieder versuchte der Georgier den neben ihm sitzenden Alexander zu beruhigen, aber der sprach unentwegt von Vorsehung, die sich nun gegen ihn wende. Jahrelang hätte sie ihm geholfen, jetzt stünde sie auf der anderen Seite1, und dagegen komme er nicht an.
    Die Hütte wirkte schon aus der Entfernung anders als sonst. Außerdem war niemand von der Wachmannschaft zu sehen, die eigentlich draußen zu patrouillieren halte. Im Näherkommen bemerkten sie, dass das durch Bäume geschützte und versteckt liegende Holzhaus ganz schief stand, das Dach teilweise eingestürzt war, jemand die Fenster geöffnet und das Glas zerschlagen hatte. Nachdem sie das Anwesen umrundet hatten, erkannten sie die tatsächlichen Ausmaße. Eine ganze Wagenladung Fichtenstämme hatte sich durch die Vorderfront der Jagdhütte gebohrt, die Zwischenwände mitgerissen, und kam hinten wieder zum Vorschein. Lediglich die beiden Seitenwände waren noch einigermaßen intakt, und auf ihnen ruhten die Überreste des Daches, das jeden Augenblick einzustürzen drohte.
    Noch bevor das Auto hielt, stürmte Alexander auf die Hütte zu. Er schrie wie von Sinnen, während er über das Holz kletterte, abrutschte, weiterkletterte und im Innern verschwand. Leonid, der kurz hinter ihm war, würde nie vergessen können, wie Alexander in Panik und unter Aufbietung all seiner Kräfte die mehr als zehn Meter langen Stämme auf die Seite zu wuchten versuchte.
    »Leonid, hilf mir, sie liegen darunter«, kreischte Alexander mit sich überschlagender Stimme und irrem Blick.
    Leonid bemerkte einen Arm, zerrissenen Stoff, sah Blut, und er fühlte sich hilflos wie noch nie in seinem Leben.
    Alexander war nicht zu bändigen. Er weinte und wütete, schrie und stieß unkontrollierte Laute aus. Längst hatte er seine Hände an der rauen Rinde aufgerissen, aber das Holz bewegte sich keinen Millimeter.
    Leonid, der nicht länger zuschauen konnte, wie Alexander sich quälte, riss den Freund zu sich herum, erschrak vor dem wilden Ausdruck in seinem Gesicht und versetzte ihm einen Schlag ans Kinn. Den zusammensackenden Körper fing er auf, trug ihn nach draußen, legte ihn unter eine Kiefer, es war dieselbe, unter der Nikolai gestorben war, und fesselte ihm die Hände. Minsk setzte sich neben den Bewusstlosen, und Leonid schickte den Fahrer fort, schnell Hilfe zu holen.
    Als Alexander aufwachte, begann er zu toben und sich hin und her zu werfen. Vergeblich bemühte sich Minsk, ihn zu beruhigen. Alexander trat nach ihm und wuchtete dem Älteren ein Knie in die kurze Rippe. Leonid kam aus der zerstörten Hütte und hockte sich neben den Freund. Der fuhr herum, giftete den Georgier an. »Binde mich sofort los. Hast du nicht gehört?«
    Leonid packte Alexanders Oberarme. »Wir kommen zu spät.«
    »Losbinden, habe ich gesagt. Oder ich bring dich um.« Mit einem an Wut nicht mehr zu überbietenden Ausdruck starrte er Leonid an.
    »Sie sind tot, Alexander.«
    Der riss an den Fesseln, gebärdete sich wie ein Berserker. »Du sollst mich ...« Er stockte, Leonids Worte drangen tiefer, das Gesicht entzerrte sich. Fragend sah er den Georgier an, und dessen Augen waren Antwort genug.
    »Sie ... sie sind ...?«
    »Ja.«
    »Larissa, Nikolai und Tanja?«
    Leonid, der mit den Tränen kämpfte, nickte und verstärkte den Druck seiner Hände. »Du kannst ihnen nicht mehr helfen.« »Sie sind alle tot?«
    Leonid setzte sich neben Alexander und nahm den von einem Weinkrampf Geschüttelten in seine Arme.
    Alexander bekam nicht mit, wie ein Trupp Arbeiter mit schwerem Gerät heranrückte. Zuerst deckte man das Dach ab, dann hob man die Stämme einzeln mit einem Kran an und legte sie auf die Seite.
    Einer der Arbeiter gab Leonid ein Zeichen, als sie fertig waren.

Der stand auf, warf einen Blick zum apathisch vor sich hin starrenden Alexander, dem er inzwischen die Fesseln wieder abgenommen hatte, und ging in die Überreste der Hütte.
    Ein grauenhaftes Bild bot sich Leonid: Die Leichen zerschmettert, von Larissas Gesicht nichts mehr zu erkennen, die kleinen Kinderkörper nur noch blutige Klumpen.
    »Leonid, man hat sie gefesselt.«
    Der Georgier wirbelte herum, Alexander stand neben ihm. Als sei es das Natürlichste auf der Welt, erwähnte er in einem ruhigen und emotionslosen Ton, dass man sie gefesselt habe.
    »Ich habe es gesehen.«
    »Die Schweine haben sie gefesselt. Wo sind die

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