Der König von Sibirien (German Edition)
gefährlich werden.«
»Mag sein. Ich allerdings werde die Miliz gegen sie aufbieten und den Staat.«
Alexander beruhigte die Zusicherung etwas. Er bat Besmertisch, ihm Unterlagen über die Mafia zukommen zu lassen.
Es dauerte nur wenige Tage, da lagen die Daten und Angaben vor. Besmertisch hatte sich an einen Polizeiobersten in Moskau, einen in Karaganda und einen in Baku gewandt. Und was Alexander, Leonid und Minsk zu lesen bekamen, erfreute sie nicht sonderlich.
Schon mit dem Aufschwung unter Chruschtschow setzte, parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung, die Ausbreitung der Organisation ein. Anfangs hatte man sich auf Narkotika und Rauschgift beschränkt, dann kamen Antiquitäten und der Schmuggel von hochwertigen Gütern und Edelsteinen hinzu.
Kurioserweise bezeichnete die Bevölkerung zuerst den Beamtenapparat und die Partei als Mafia, und zwar aus Unzufriedenheit wegen der Diskrepanz zwischen den Versprechungen, es werde allen besser gehen, und der ernüchternden Wirklichkeit.
Bereits Ende der sechziger Jahre investierten einige der illegal Reichgewordenen ihr Geld ohne Scheu in Statussymbole wie West-Limousinen und komfortable Häuser. Sie taten es der Führung des Staates nach, die in gleicher Weise protzte weil auch sie ihre Stellung schamlos für Zuwendungen und Vergünstigungen ausnutzte. Riesige Summen wanderten aus dem Staatshaushalt in private Hände, meist über die Errichtung von unerlaubten Produktionsstätten und Firmen, von denen Rekunkow gesprochen hatte. In diesen »Zechi«, die Rohstoffe zweigte man von staatlichen Lieferungen ab, wurde alles produziert, angefangen von Warst über Radios, Möbel bis hin zu Jeans, die man, Frechheit siegt, wiederum schamlos in den Westen verkaufte.
Dass schon seit mehr als zehn Jahren die sogenannten Raffmillionäre, die sich gesetzwidrig bereichert hatten, erpresst und eingeschüchtert wurden, man ihre Familienmitglieder entführte und tötete, erstaunte Alexander, da ihm davon bisher nichts zu Ohren gekommen war.
Die Erpressten, so ging aus dem Bericht hervor, bezahlten an die Gangster, es bildeten sich andere Gruppen, Bosse kristallisierten sich heraus mit eigenem Personal wie Fahrer und Leibwächter. Sie waren sich einig, dass es sich bei Rekunkow und seinen Gangstern nicht um die unterste Ebene einer Verbrechergruppe handelte, »Bojewiki« oder »Kämpfer«, die keine Macht ausüben könne. Mindestens zur zweiten gehöre er, zur »Brigade«, seinem Auftreten nach eher noch zur nächst höheren, den »Autoritäten«, die untereinander konkurrierten, aber bereits ihre Leute in Verwaltung und Politik sitzen hatten. In einigen Jahren könnte er zu einem Führer der Führer werden, ähnlich der Netzstruktur der Mafia, die man kurioserweise auch »Väter« nannte:.
Wenn es so weit komme, dann habe das organisierte Verbrechen alles in der Hand, gab Leonid zu bedenken und dachte mit Wehmut an die relativ harmlose Gruka, die, da untereinander zerstritten und desorganisiert, nur punktuell zu einer Gefahr geworden waren.
Überregional verbreitet war die Mafia laut Unterlagen bereits im Westen der Union. Besonders betroffen schien die Ukraine zu sein, aber auch Moldawien und Südrussland und Usbekistan, und zwar wegen der Schiebereien mit Baumwolle.
Wie weit die Strukturen innerhalb der Mafia schon vorangeschritten waren, erfuhren Alexander, Leonid und Minsk durch die Ausführungen des Polizeiobersten aus Baku. Dort hatte die Organisation einen Sozialfonds gegründet, um in Haft geratene Verbrecherchefs durch Anwälte vertreten zu lassen und die Familienangehörigen finanziell zu unterstützen.
In jüngster Zeit habe der Kampf untereinander dazu geführt, dass schwächere Gruppen von stärkeren aufgesogen wurden, dabei habe es viele Tote gegeben.
Verwundert lasen die drei, dass an der Spitze von Mafia-Clans auch ehemalige Leistungssportler stehen sollten. Natürlich auch altbekannte Verbrecher und, wie schon seit Urzeiten, aus dem Hintergrund agierende Wirtschaftsfunktionäre. Die grenzten ihr Terrain ab, indem sie die wichtigsten Leute kauften oder sie mit in den Verbrecherring aufnahmen. Killer setzte man nur in besonderen Fällen ein, weil die zu viel Aufsehen erregten. Teurer, aber auch unauffälliger, sei die Bestechung, das Kaufen der entsprechenden Personen. Um nicht aufzufallen, führten die Chefs der Banden ein ganz normales Leben, waren verheiratet, schickten die Kinder auf die Schule und beachteten alle Gesetze.
»Hier haben wir vielleicht
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