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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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eingeschlafen -, war für Alexander der Punkt der tiefsten Resignation erreicht. Er rief seine zehn Stellvertreter zusammen und forderte sie auf, einen Nachfolger für ihn zu bestimmen.
    Sie lehnten ab. Und Geriak, immer noch an der Spitze der Jakuten, lehnte auch ab.
    »Unser Volk bestimmt, wann der König gehen darf.«
    »Ich bin nicht mehr euer König. Ich kann euch nichts mehr geben.«
    Geriak stoisch: »Das entscheiden wir.«
    »Gib mir meine Ruhe und meinen Frieden.«
    »Denke immer daran, du bist geduldet, von uns und von dem großen Licht. Du bist nur auf dieser Welt geduldet.«
    »Geriak, ich bin krank, innerlich krank. Da ist etwas in mir drin, das frisst mich auf.«
    Der Jakute lächelte. »Wir warten, bis du wieder gesund bist. Lass dir Zeit.«
    Aber Alexander wollte nicht mehr.

    Und so kam der Besuch aus Moskau genau zum falschen Zeitpunkt. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums, einer aus der jüngeren Generation, wollte ihn sprechen, weil er von seinen Erfolgen gehört hatte.
    Doch Andrej Kosyrew zweifelte an den Gerüchten. Vor ihm saß ein Mann von Mitte Vierzig oder etwas mehr mit dem Verhalten und der Reaktion eines Greises. Kaum interessiert an dem, was er sagte, schien er oft den Faden zu verlieren und lieber hinaus in die Natur zu schauen, als seinen Besucher zu beachten.
    »Herr Koenen, man sagt den Deutschen gewisse Eigenschaften nach.«
    »Ich bin Russe.«
    »Aber auch Wolgadeutscher. Bei Ihnen vermisse ich diese Eigenschaften.«
    Alexander schluckte die Provokation. »Das zu beurteilen, bleibt Ihnen überlassen.«
    »Ich bin irritiert. Zum einen, was ich über Sie gehört habe, und jetzt der Gegensatz dazu, wie Sie sich geben.«
    »Dieses Land hat mich geschafft.« Alexander verbesserte sich: »Die Funktionäre dieses Landes, die nur an ihren eigenen Vorteil denken, haben mich geschafft. Ich sehe keinen Sinn mehr, weiter tätig zu sein. Und die schönen Reformen, die Ihr neuer Mann in Moskau einführen will, er wird sie nicht umsetzen können. Jeder, der seine Position gefährdet sieht, und das ist die gesamte alte Garde, wird eine Wand aufrichten, laue Wand aus Misstrauen und Formalismus.«
    »Wir wissen, dass bei uns praktisch nichts den Vorgaben entsprechend läuft. Inzwischen sind wir so weit, dass wir Lebensmittel rationieren müssen und der Westen uns am Leben erhält. Stellen Sie sich bitte mal vor: Der imperialistische Westen, unser Klassenfeind, ist Amme der Sowjetunion.«
    »Ich kenne Ihr Problem, es heißt defizitno. Alles ist reduziert. Nahrungsmittel wie Kartoffeln, Kohl und Speiseöl, Zwiebeln und Karotten. Die Beschäftigten gehen fünfzehn Tage im Monat arbeiten, damit sie was zu essen haben, und die restlichen sieben Arbeitstage verbleiben ihnen für das, was das Leben erst lebenswert macht. Ein trauriges Rechenbeispiel. Arbeiten, um zu vegetieren. Wo soll da die Motivation herkommen?«
    Kosyrew gab Alexander recht und beschönigte auch nicht die Grundübel in der Produktion: das Nichtstun vieler Werktätigen, der Diebstahl von allem, was sich verkaufen ließ, die Schlamperei bei der Arbeit, was die Qualität anbelangte, und die Trunksucht. Und er gab zu, nicht gegen die Schattenwirtschaft anzukommen. Es gäbe kein Mittel, das Nalewo, Geschäfte »auf links« zu machen, einzudämmen. Schwarzmarkt und Korruption wucherten, gleichzeitig schwelgten die Funktionäre im Reichtum, besäßen Datschen mit Schwimmbädern und allen Extras. Chruschtschow und Breschnew hätten es ihnen schon vor vielen Jahren vorgemacht, Privilegien angehäuft und sich aus dem Sozialismus ausgeklinkt. Und wem das immer noch nicht genügte, der könne sich in Bordellen vergnügen, die jegliche Form der Entspannung böten.
    »Es gibt keine Moral mehr. Schon vor Jahren ist ein Schmuggelring mit Ikonen und Kaviar aufgeflogen. Übers ganze Land verteilt waren mehr als vierhundert Beamte bis in die höchsten Ebenen darin verwickelt«-
    »Genau das meine ich«, entgegnete Alexander.
    »Aber wenn wir nichts unternehmen, wenn die Reformen nicht greifen, dann wird es nur noch schlimmer.«
    Mit Engelszungen bemühte sich Kosyrew, der am aufflackernden Interesse Alexanders und an dessen Art zu argumentieren erkannte, dass die Gerüchte doch einen Wahrheitsgehalt hatten, diesen für sich und Moskau zu gewinnen. »Wir brauchen Männer, die das Land kennen und in der Lage sind, die Missstände zu beseitigen.«
    Alexander stutzte. »Meine Methoden werden nur geduldet, sind im Grunde genommen auch ein Unterlaufen

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