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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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anderen Baracke halt, dort standen einige verbeulte Blecheimer. Sie tauchten ihre Teller und Tassen in das mit Eisklumpen durchsetzte Wasser, lutschten es und putzten sich mit Hilfe der Finger die Zähne. Einige hatten Holzstückchen faserig gekaut, damit ging es besser. Alexander war einer der wenigen, der sich wusch. Rassul belustigte das. »Wirst doch gleich wieder dreckig.«
    Das Frühstück - was für ein hochstehender Begriff für lauwarmes, braunes Wasser, das man als Kaffee auswies, ein Stück Brot und eine Scheibe fettiger Wurst - wurde runtergeschlungen, und sofort machten sich die Strafgefangenen auf zum Berg. Knapp einen Kilometer hatten sie auf einem etwa drei Meter breiten Pfad zu gehen, der links und rechts und oben tunnelartig mit Stacheldraht eingezäunt war. Bewacht wurden die Häftlinge von Soldaten mit Gewehren, die außerhalb marschierten und ständig vor sich hin fluchten. Schließlich gelangte Alexander mit Rassul zu einem Flachbau aus Stein, wo ihm, dem Neuen, aus einem Depot Werkzeug ausgehändigt wurde: Hammer, Meißel, Schaufel, Spitzhacke und ein Helm.
    Rassul drehte den Helm zwischen den Fingern. »Den trägst du doch nie. Wirst nämlich ganz schön ins Schwitzen kommen.«
    Alexander wurde belehrt, dass er einen Monat in den Isolator müsse, falls er sein Werkzeug verlegte oder verlöre, oder wenn es ihm gestohlen würde, denn das mache keinen Unterschied.
    »Isolator, ist das eine Einzelzelle?«
    Rassul nickte. »Da bist du so richtig von unserer Welt abgeschnitten und kannst in Ruhe über dich nachdenken. Heizung gibt es dort übrigens auch nicht, wäre doch Verschwendung.«
    In einem separaten Raum zog Alexander Arbeitskleidung an. Seine Größe konnte er nicht auswählen, aber da er schlank und nur etwas über mittelgroß war, gab es keine Mühe, das Entsprechende zu finden. Ein Seil am die Hüfte machte die Hose passend. Gemeinsam mit Rassul stellte er sich dann draußen auf dem freien Platz auf.
    Alexander, der dachte, die Lagerleitung hielte diesen Appell ab, sah sich getäuscht. Zwar standen im Hintergrund Wachsoldaten und stützten sich auf ihre Gewehre, aber abgezählt und zur Arbeit eingeteilt wurden die Brigaden vom Elefanten, dem Chef der Blatnoij. Und der war eine imponierende, eine wahrlich gewaltige Erscheinung: Er wog mindestens zwei Zentner, hatte einen schwarzen Bart, dazu langes Haar, trug eine gefütterte Jacke und feste, saubere Lederstiefel. Im Mund baumelte eine richtige Zigarette und keine aus Zeitungspapier gerollte Papyrossi.
    »Unser Brigadier ist ebenfalls ein Blatnoij. Wolkow heißt er, Wolkow, der Schlächter. Wundere dich also nicht, wenn er keine Hand anlegt. Er geht nur rum, beobachtet seine Leute und treibt sie unentwegt an, damit die Prämie höher ausfällt.«
    »Wie, bekommen wir eine Prämie?«
    Rassul spuckte auf den Boden. »Wir doch nicht, wo denkst du hin. Die Blatnoij. Wir schuften für die verdammten Hunde.«
    »Schnauze«, brüllte der Elefant und schaute angriffslustig in ihre Richtung. Und zu Wolkow gewandt: »Merk dir die beiden Burschen.«
    Der Brigadier trat zu Alexander und Rassul und grinste in Vorfreude. Was wohl in seinem Kopf vorging? Welches gemeine Spielchen er sich bereits ausgedacht hatte?
    Um in den Berg zu gelangen, brauchte Alexander nur geradeaus zu gehen. Es gab keinen Schacht, so wie in Workuta, sondern lediglich einen waagerechten Stollen. Nach fünf Minuten und vielen Richtungswechseln erreichten sie ihren Arbeitsplatz.
    »Wenn du hier elektrische Lampen siehst, dann nur deswegen, weil es angeblich kein entzündliches Gas geben soll. Ich wäre mir da nicht so sicher. Wenn es also knallt, dann nichts wie auf den Boden.« Für Alexander kaum verständlich, fügte Rassul hinzu: »Falls du dazu noch Zeit hast.«
    Vier Stunden später gab es die erste Pause. Alexander spürte seinen Rücken nicht mehr, und es dauerte einige Zeit, bis er sich vollständig aufgerichtet hatte. Rassul beruhigte ihn und sagte, das lege sich ab dem dritten Tag.
    Alle Strafgefangenen erhielten Wasser und Brot, nicht aber Rassul und Alexander. Der Brigadier klammerte die beiden aus, weil der Elefant sie vorhin ermahnt hatte.
    »Der Schweinehund. Wenn er irgendwann mal eine Spitzhacke im Kreuz hat, dann die von mir.« Rassul spuckte hinter ihm her, die einzige ihm verbliebene Art, Verachtung auszudrücken. Aber er tat es so, dass es keiner mitbekam.
    Nach drei Stunden war die nächste Pause, wieder zehn Minuten, wieder gab's kein Brot und kein Wasser

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