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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Es knirschte.
    »Was ist passiert?« Klimkow beugte sich über ihn.
    »Verdammt, ich glaube, mein Unterschenkel ist gebrochen.« Alexander presste die Worte aus dem Mund.
    »Los, zum Sanitäter.«
    Alexander stöhnte. »Nein.«
    »Wieso nein? Du musst zum Sanitäter.«
    Alexander schüttelte den Kopf. »Diesen Triumph gönne ich Pagodin nicht.«
    »Du Schwachkopf. Von welchem Triumph sprichst du?«
    »Mich hilflos zu sehen.«
    Klimkow schüttelte den Kopf. Dieser Gautulin blieb ihm ein Rätsel. Zugegeben, vieles nötigte ihm Respekt ab, aber dann auch wieder hielt er Alexander schlichtweg für verrückt. So wie jetzt. »Und wie willst du mit einem gebrochenen Bein weiterarbeiten?«
    »Los, bring mich in die Unterkunft. Ich gehe in der Mitte zwischen dir und Janis. Der hat doch Ahnung, was Verletzungen betrifft .«
    Alexander wurde in die Baracke geschleppt und auf einen Tisch gelegt. Seine Lippen waren blutig, so hatte er draufgebissen. Janis zog ihm die Schuhe aus und schob das linke Hosenbein hoch.
    »Ganz glatter Bruch«, stellte er lakonisch fest. »Geschient und vergipst dauert das mindestens sechs Wochen.«
    Klimkow baute sich neben Alexander auf. »Da hörst du es. Sechs Wochen. Sollen wir dich die ganze Zeit vor Pagodin verstecken?«
    Alexander schüttelte den Kopf. Er hatte starke Schmerzen. »Janis, eine Frage: Genügt es, das Bein nur zu schienen?«
    »Wenn du ruhig liegen bleibst, vielleicht.«
    »Ich will arbeiten!«
    Janis ließ das kalt. »Dann kannst du auch gleich mit dem Kopf in das Rotorblatt eines Hubschraubers laufen. Das geht schneller.«
    »Schön, dass ihr so besorgt um mich seid. Aber ich stehe das schon durch. Janis, organisiere mir für die ersten Tage etwas Morphium. Und jetzt fang schon an und verarzte mein Bein.«
    Janis schaute Klimkow an, und der nickte, weil er sich sagte, spätestens übermorgen würde es sich Alexander anders überlegen. Janis verstand wirklich etwas von Verletzungen. Zuerst richtete er Alexanders Unterschenkel aus, der schrie vor Schmerz. Dann verpackte er das Bein in eine dünne Lage Stoff, damit es keine Druckstellen gebe. Zwei Hemden mussten daran glauben. Anschließend schiente er es mit vier Holzstäben, zwei an jeder Seite. Diese Stäbe umwickelte er fest mit einigen Bandagen, damit sie sich nicht gegeneinander verschieben oder verrutschen konnten.
    »So, du Held. Und weiter?« Janis stemmte die Hände in die Seite.
    »Besorg mir Stiefel. Zwei Nummern größer.«
    Eine Stunde später war Alexanders provisorisch geschientes Bein mit den vier Holzstöcken so in einem Stiefel eingepfercht, dass dieser halbwegs die Funktion des Gipses übernahm.
    »Wenn du jetzt nicht laufen müsstest, könnte es funktionieren.«
    Aber Alexander lief. Er versteckte sich immer hinter anderen Strafgefangenen, damit Pagodin sein Humpeln nicht bemerkte. Die ersten Tage schluckte er Morphium, das Klimkow vom Sanitäter besorgt hatte. Trotzdem knirschte es manchmal vernehmlich, wenn sich Alexander auf die Zähne biss. Nachts konnte er kaum schlafen vor Pein. Wellenartig breitete sich der Schmerz aus bis in die Hüfte. Immer wieder wollte Janis nach dem Bein schauen.
    »Erst in sechs Wochen«, antwortete Alexander.
    Der Winter zog über Nacht ein, Schnee fiel stetig. Nach einer Woche Tag er etwa einen halben Meter hoch. Kalt waren die Nächte, und der kleine Bollerofen schaffte es nicht, die Baracke genügend aufzuheizen. Deshalb schoben die Strafgefangenen ab und zu einen in Öl getränkten Lappen nach. Dann begann das Rohr zu glühen, und es breitete sich nach kurzer Zeit eine wohlige Wärme aus.
    Unter diesen widrigen Witterungsumständen war es für Alexander noch beschwerlicher geworden, sich draußen zu bewegen. Aber die Schmerzen ließen allmählich nach. Knapp vierzehn Tage war es jetzt schon her mit dem Bruch, und er hatte kein Fieber. Das sei ein gutes Zeichen, meinte Janis. Vielleicht heile das Bein wirklich richtig zusammen. Aber seinem Gesichtsausdruck nach glaubte er nicht daran.
    Alexander vermied jede unnütze Belastung. Klimkow organisierte die Arbeit so geschickt, dass er sich etwas schonen konnte, aber wiederum nicht zuviel, um Pagodin nicht stutzig werden zu lassen.
    Dann trat das Schönste ein, was Alexander passieren konnte. Ein Sturm fegte über das Lager und rüttelte an den Baracken, als wollte er ihnen das Fliegen beibringen. Gleichzeitig fiel das Thermometer unter minus dreißig Grad. Die Arbeit wurde eingestellt. Pagodin, so scherzte Klimkow, stehe jetzt

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