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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Wachpersonal und ... Pagodin. Nicht zu vergessen die beiden Ingenieure. Was mochte wohl die Zivilisten bewegt haben, ihnen in diese Einöde zu folgen, überlegte Alexander.
    Die erste Nacht verbrachten die Strafgefangenen zu mehreren aneinandergekettet unter freiem Himmel, ein dichter Kordon von Posten umgab sie. Da sich der Sommer noch nicht ganz verabschiedet hatte, war es draußen auszuhalten.
    Am nächsten Tag begannen die Auserwählten als erstes mit dem Aufrichten der vorgefertigten Bauteile. Bereits am Abend hatten sie die Unterkünfte für die Soldaten und die Ingenieure erstellt und für sich selbst provisorisch ein Areal von knapp fünfzig mal fünfzig Metern eingezäunt, damit es die Bewacher einfacher hatten und ihren Dienst in Schichten versehen konnten. Allerdings fragte sich Alexander, warum es Pagodin damit so genau nahm. Wohin hätten die Strafgefangenen fliehen sollen?
    Die Ingenieure bemühten sich, einigermaßen guten Kontakt zu den Zwangsarbeitern zu pflegen, weil sie erkannten, dass sie bei dem bevorstehenden Projekt auf sie angewiesen waren. Ein Ingenieur erklärte ihnen, normalerweise sei es nicht so feucht in dieser Region nördlich des Flusses Kasym, zumindest nicht im Spätsommer. Das viele Wasser sei auf ein Unwetter am Oberlauf der Flüsse zurückzuführen, daher auch die Braunfärbung des Ob, es seien die schlimmsten Regenfälle seit Menschengedenken gewesen. Weil das Land so eben sei, habe sich schnell eine Seenlandschaft gebildet.
    Bereits nach zwei Wochen war das Lager SIB 12 samt Verwaltungseinheit, Generatorstation, Magazin, Sanitätstrakt mit acht Betten, Kantine, zugleich auch Freizeitbereich, Toiletten-und Waschräumen er richtet. Genau in der Mitte zwischen Schlafbaracken und großem Tor stand ein Sendemast. Ein vier Meter hoher Zaun aus Stacheldraht umschloss das Lager, und an jeder Längsseite standen drei Wachtürme mit starken Scheinwerfern.
    Für die Hubschrauber, die mindestens zweimal pro Tag einflogen, hatten die Gefangenen eine Plattform aus Holz ausgelegt, damit die Räder nicht im Morast versanken. Die Wachmannschaft war außerhalb auf einer sich kaum von der Umgebung abzeichnenden, flachen Kuppe untergebracht, Pagodin hatte eine eigene Baracke. Ein zweiter Generator lieferte den Strom.
    Alexander hatte den Eindruck, dass Pagodin ihm aus dem Weg ging. Oft war er mit Klimkow zu sehen, und sie schienen sehr vertieft in ihre Unterhaltung zu sein.
    Aber Pagodin hatte ihn nicht vergessen. Das sagte ihm Klimkow, der Alexander stets aufs Neue warnte. Und wenn es eine gefährliche Arbeit zu verrichten gab, dann hatte dies Alexander zu tun.
    Pagodin, inzwischen zum Natschalnik aufgestiegen, stand regelmäßig vor seiner Unterkunft und schaute nach Süden, in die Richtung also, aus der er das Rote Kreuz erwartete. Aber es traf nicht ein.
    Alexander, der Pagodin oft beobachtete, glaubte zu bemerken, dass dieser immer nervöser wurde. Die Missstimmung des Lagerleiters, in der tristen Abgeschiedenheit - ohne Aussicht auf Beförderung - seinen Dienst versehen zu müssen, bekamen alle zu spüren. Barsch war sein Ton, hart die Arbeitsanforderungen, oft sauste der Gewehrkolben auf die Strafgefangenen nieder, denn so weit abseits und von Moskau vergessen, bedienten sich die Wachposten nicht des Knüppels.
    Die Ingenieure baten Pagodin um gemäßigtere Bedingungen, doch der Natschalnik ging nicht darauf ein. Eines konnte er allerdings noch nicht beeinflussen: Da es für alle nur eine Feldküche gab, aßen die Strafgefangenen das gleiche wie die Wachmannschaft. Nur aus diesem Grund fielen die Portionen auch groß genug aus.
    Das Rote Kreuz ließ auf sich warten. Pagodins Gereiztheit nahm stetig zu, während die Hubschrauber nach und nach eine komplette Bohrausrüstung anlieferten. Aber vorerst standen nur Probebohrungen auf dem Programm, wie einer der Ingenieure meinte. Falls sie ergiebig seien, sehe man weiter.
    Der Herbst meldete sich, die ersten Nachtfröste setzten ein, und es zeigte sich, dass die Unterkünfte nicht für diese kalten Breiten geeignet waren. Das Holz begann zu arbeiten, die Baracken verzogen sich, die vorgefertigten Teile ließen die für die Region notwendige Stabilität vermissen, klaffende Risse taten sich in Wand und Boden auf.
    Dann passierte auch noch das Missgeschick, als sie den Bohrturm errichteten.
    Alexander hatte eine Metallstrebe zu halten, die verschraubt werden sollte. Er rutschte aus, schlug hin, ließ die Strebe los, die ihm auf das Schienbein fiel.

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