Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
einen Feldweg, der direkt in den Wald hineinführte. Er bog ab, und die Sonne verschwand hinter den mächtigen Wipfeln der Nadel- und Laubbäume. Kurze Zeit später zeigten die durchdrehenden Vorderräder auf dem verschneiten Boden unmissverständlich an, dass der Wagen die Grenzen seiner Tauglichkeit im freien Gelände erreicht hatte. Parker hielt an und stieg aus.
Er wusste, dass er inmitten eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands stand. Hier gab es einen über tausend Jahre alten Eichenbestand sowie weite Flächen, die einem vorzeitlichen Urwald glichen. Alles erinnerte an die Magie und die Kräfte, die vor längst vergangenen Jahrhunderten gewirkt hatten und das Gebiet zur Märchenschmiede der Nation werden ließen. Es war der sagenumwobene Reinhardswald – oder auch Brüder-Grimm-Wald, wie er manchmal genannt wurde, weil die Brüder hier ihre Märchen aufgeschrieben hatten.
Und irgendwo im Schutz dieser uralten Bäume lag Thalbergs geheimes Hauptquartier.
Maria hatte Parker kurz vor ihrem Abschied auf der Jacht erst mit eindringlichen Worten vor Thalberg gewarnt und ihm dann alles über sein Versteck verraten, was sie wusste. „Natürlich ist er noch im Reinhardswald“, hatte sie festgestellt. „Ein Thalberg wechselt seinen Wohnort nicht wie jedermann, schon gar nicht, wenn er auf einem Jagdhof mitten in einem wahrhaftigen Märchenwald residiert.“ Aber sie war selbst nie auf Thalbergs Gut gewesen, sondern kannte das Anwesen nur aus Falkenhayns Erzählungen. „Selten habe ich Fritz so schwärmen gehört. Er war begeistert vom Weserbergland und hat mir von vielen Wanderungen erzählt, die er gemeinsam mit Thalberg unternommen hat.“ Vor allem die Klosterkirche am Fluss hatte es den beiden Männern angetan und war immer wieder das Ziel ihrer Exkursionen gewesen.
Das war immerhin ein Anhaltspunkt. Auf der Landkarte, die Parker in Münden erworben hatte, hatte er mit dickem rotem Filzstift ein Gebiet eingekreist. Das Gelände umfasste viele Quadratkilometer, aber früher oder später würde er auf Thalbergs Versteck stoßen, daran hatte er keinen Zweifel.
Er hoffte inständig, dass dieser Augenblick nicht mehr lange auf sich warten ließ und dass die Verbrecher Zoé hierhergebracht hatten – denn sonst war alles verloren.
Entschlossen nahm er den gepackten Rucksack aus dem Kofferraum des Renaults und machte sich auf den Weg in den Forst. Nachdem er eine Stunde durch tiefen Schnee gestapft war, tauchte vor ihm ein langgezogener Stahlzaun auf. Der Zaun maß ungefähr drei Meter in der Höhe und trug oben eine fortlaufende Stacheldrahtrolle. Im Abstand von vier Metern waren die Füße fest in den Boden einbetoniert.
Parker ging im Schutz einer Fichtenschonung in Deckung und hob das Fernglas vor die Augen. Keine Überwachungskameras, keine patrouillierenden Wachen. An einer Stelle hatten Wildschweine sich in den Boden gewühlt und vergeblich versucht, die Absperrung zu unterlaufen. Der verbogene Draht ragte krumm und schief in alle Richtungen und ließ vermuten, dass es auch keine Alarmsicherung gab. Sie war wahrscheinlich nutzlos angesichts des regen Wildwechsels in dieser Gegend.
Fast regungslos verharrte er in seinem Versteck und beobachtete unablässig das Gelände. Die Minuten rieselten vorbei, und er verlor langsam den Glauben daran, dass sich noch etwas ereignen würde. Aber seine Nervosität stieg und stieg. Zoé war nicht weit von ihm in ernsthafter Gefahr, und er saß hier draußen untätig herum. Oder gehörte der Zaun vielleicht doch nur zu irgendeinem harmlosen Forstbetrieb und er verplemperte nur wertvolle Zeit?
Als er schon fast die Geduld verloren hatte, sah er sie.
Sie kamen nach etwa eineinhalb Stunden und waren zu zweit. Zuerst erschien der größere der beiden Männer. Er ging dicht am Zaun entlang und prüfte ihn mit Argusaugen. An der Stelle, wo die Wildschweine hatten durchbrechen wollen, blieb er stehen und zog einen Notizblock aus seiner Jackentasche. Während er den Schaden notierte, erschien der zweite Mann auf der Bildfläche. Gesichter konnte Parker nicht ausmachen. Beide Männer steckten in schweren Parkas mit tief in die Stirn gezogenen Kapuzen. Auch Waffen sah er nicht, obwohl er sich sicher war, dass sich unter den Mänteln handliche Ingram-Maschinenpistolen befanden. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Er hatte Thalberg aufgespürt.
Nach zehn Minuten waren die beiden Wachen wieder im Gehölz verschwunden.
Obwohl er bereits bis auf die
Weitere Kostenlose Bücher