Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Thalberg es sofort erfahren. Seine Zuträger sind überall, das wissen Sie selbst am besten. Dann kann ich für Ihre Sicherheit nicht mehr garantieren. Niemand kann das mehr. Die werden Sie umbringen. Parker, Sie wissen genau, dass ich recht habe! Kommen Sie nach Hause, solange ich Sie noch schützen kann. Lassen Sie sich ins Kanzleramt fliegen, das ist Ihre letzte Chance! Sagen Sie mir, wo Sie sich befinden!“
Parker schaute auf den verlassenen Renault unter dem hellen Licht der Tankstelle. Der gefüllte Kanister stand neben dem Vorderrad eine einsame Wache. Wie weit würde er mit dem betagten Gefährt noch kommen? Vielleicht geriet er schon an der nächsten Kreuzung in eine Polizeisperre. Die Kanzlerin hatte recht. Wie hatte er sich bloß vormachen können, es ohne ihre Hilfe mit Thalberg aufzunehmen? Sein Mut sank. Hatte Zoés Befreiung zunächst wie ein mit viel Glück zu bewerkstelligendes Husarenstück ausgesehen, kam ihm die Aktion nun plötzlich nur noch als ein Akt der Selbsttötung vor. Nur gemeinsam mit der Kanzlerin bestand vielleicht noch eine Chance, Thalberg zu finden und Zoé herauszuhauen.
Niedergeschlagen rieb er sich übers Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten auf seiner Haut. Und auf einmal merkte er, wie ausgelaugt er war. Bis auf die wenigen Stunden auf der Fahrt in die Alpen und auf Marias Jacht hatte er seit Tagen keinen Schlaf bekommen. Er hatte sich mehrfach Kämpfe auf Leben und Tod geliefert, schmerzhafte Verletzungen erlitten und bereits zwei Menschen getötet. Und was hatte das alles genutzt? Das Geheimnis um das Bernsteinzimmer war weit davon entfernt, gelüftet zu werden. Die Verschwörer hatten Polizei und Geheimdienste Deutschlands unverändert unter ihrer Kontrolle. Und sie hatten Zoé in ihrer Gewalt. Er betete, dass es ihr gutging, aber er musste auch voller Angst an Annes Martyrium denken.
Er senkte den Kopf und war drauf und dran, sich nach Berlin fliegen zu lassen. Doch dann spürte er wieder die sich drehende Kreiselspitze, die förmlich einen Gedanken in seine Schädeldecke fräste, und ihm fiel noch eine Frage ein. „Warum wird eigentlich nicht nach Frau Velázquez gefahndet?“
„Wird ja, wird ja. Hatte ich nur vergessen zu erwähnen.“
Parker musste lächeln. Ein freudloses Lächeln über eine Erkenntnis, für die er sehr lange gebraucht hatte. Im Gegensatz zu dem ersten Telefonat mit der Kanzlerin war von Zoé in diesem Gespräch nicht die Rede gewesen. Sie spielte keine Rolle für die Person am anderen Ende der Leitung. Warum auch? Zoé hatten sie ja schon längst geschnappt.
„Ich hätte da noch eine Frage“, sagte er.
„Parker, ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist für –“
„Was haben Sie mir versprochen für den Fall, dass ich das Bernsteinzimmer finde?“, unterbrach er die Stimme.
Ein Zögern. „Parker, wir dürfen keine weitere Zeit mehr –“
„Bitte beantworten Sie meine Frage.“
Eine unendliche Sekunde verging. „Das Bernsteinzimmer kommt zurück nach Moskau und …“
„… ich werde der wissenschaftliche Leiter der Delegation, mit der das Bernsteinzimmer zurückgebracht wird.“
„Ja.“ Trotz der Verzerrung war der Stimme die Verunsicherung deutlich anzumerken.
Plötzlich war Wut in ihm aufgestiegen und hatte seine körperliche und geistige Lähmung gelöst. Eine kalte Wut auf die verzerrte Stimme und alles, was sie darstellte. Auf die absolute Macht über Leben und Tod, die sie ausübte.
Es war nicht die Bundeskanzlerin, mit der er sprach.
„Thalberg“, sagte er. „Ich weiß, dass Sie mich hören. Also merken Sie sich meine Worte, denn ich meine es ernst. Lassen Sie Zoé Velázquez sofort frei, oder ich werde Sie selbst befreien! Wenn ihr irgendetwas zustößt, bringe ich Sie um! Haben Sie mich verstanden, Thalberg?“ Parker atmete tief aus und horchte angestrengt in den Telefonhörer. Doch da war nur Stille.
Dann ein kurzes Klacken, und das Besetztzeichen ertönte.
Parker hängte ein. Beim ersten Telefonat hatte er tatsächlich mit der Kanzlerin gesprochen – beim zweiten aber mit Sicherheit nicht. Das bedeutete, dass sich die Lage auch für sie weiter verschlechtert hatte. Obwohl er nun endgültig auf sich allein gestellt war, fühlte er sich voller Energie. Thalberg hatte seine Botschaft erhalten, und die Kampfansage hatte Parker gutgetan. Obwohl er keinen blassen Schimmer hatte, wie er sie in die Tat umsetzen sollte.
Thalberg nahm langsam den Kopfhörer ab und legte ihn vor sich auf den
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