Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
oder unsere Verbindung geben! Lösch alles. Bitte!“ Die Hand auf ihrem Arm verstärkte den Druck. „Heute Nacht noch!“
Zoé schluckte und war völlig überrascht von der ernsten Wendung des Abends, der eigentlich ganz vergnüglich begonnen hatte. Was war nur in Anne gefahren? Ihre Freundin war ihr immer als eine Frau erschienen, die die Herausforderungen des Lebens mit kühler Gelassenheit und einem sehr ausgeprägten Selbstvertrauen anging. Jetzt wirkte sie auf einmal völlig verändert.
„Warum?“ Mehr brachte Zoé nicht über die Lippen.
Anne strich sich die Haare zurück, drehte sich einen Zopf und steckte die Haarnadel wieder hinein. „Zur Sicherheit. Ich werde bereits überwacht.“ Ihr Gesicht zeigte tiefe Besorgnis.
„Von wem?“, fragte Zoé verwirrt.
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich von der Polizei.“
„Bist du sicher?“
„Ziemlich.“ Anne strich sich angestrengt über die makellos gepflegten Augenbrauen. „Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit den Jungs zu tun habe. Allmählich entwickelt man einen Blick dafür.“
Zoé glaubte ihr, aber die Nachricht beunruhigte sie auch nicht sonderlich. „Wir haben doch nichts Unrechtes vor, also was soll die Polizei schon machen?“ Sie musste lachen. „Du bist jetzt jedenfalls in Sicherheit.“
Doch ihr Lachen prallte an Annes ernstem Blick ab. „Ich hoffe, dass du recht hast, Zoé. Aber versprich mir trotzdem, dich an meine Anweisung zu halten. Offiziell kennen wir uns nicht, klar?“
„Klar.“ Die Antwort wäre ihr fast im Hals steckengeblieben.
Anne hatte sie ganz schön eingeschüchtert. Und ein bisschen lächerlich hatte sie die Heimlichtuerei auch gefunden.
Bis gestern Abend, als die Anwältin nicht zum verabredeten Treffen erschienen war. Zoé hatte die ganze Nacht auf ein Lebenszeichen von ihr gewartet und vor Sorge fast kein Auge zugetan.
Als die ersten Morgenstrahlen endlich den Berliner Himmel erhellten, hatte sie es nicht mehr ausgehalten und war mit einem Taxi zu Annes Wohnung gefahren.
Nie würde sie die unwirkliche Szenerie vergessen, die sich ihr dort geboten hatte. Das alte, liebevoll restaurierte Bürgerhaus, in dem sich Annes Wohnung befand, war von der Polizei abgeriegelt worden. Mehrere Polizeiwagen parkten auf beiden Seiten der Straße, und vor der Tür standen uniformierte Beamte mit strenger Miene neben einem Leichenwagen.
Zoé unterdrückte ihr Verlangen, einfach auf die Männer zuzugehen und zu fragen, was passiert war. Stattdessen schritt sie mit weichen Knien an ihnen vorbei, als ob sie eine der vielen Angestellten auf ihrem morgendlichen Weg zur Arbeit war. Die Männer lachten rauh und kehlig über etwas, was einer von ihnen gesagt hatte, während Zoé aus den Augenwinkeln zu Annes Wohnung hinaufblickte. Am Fenster sah sie Gestalten in den typischen weißen Overalls der Spurensicherung.
Sie zweifelte nicht mehr daran, dass etwas Schlimmes passiert war. Besorgt folgte sie der Straße bis zu einem nahen Kiosk, bestellte sich dort einen Kaffee und beobachtete mit dem dampfenden Pappbecher in der Hand die Polizisten.
Vor Anspannung konnte sie keinen Schluck trinken, aber das heiße Getränk wärmte ihr zumindest die klammen Finger.
Auf einmal traten die Polizisten an der Eingangstür zur Seite. Erschrocken sah sie, wie zwei schwarz gekleidete Männer einen grauen Plastiksack auf einer Bahre aus dem Haus trugen und in den Leichenwagen schoben. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Die Männer zogen die Bahre wieder aus dem Wagen, und sie sah, was die Leichenträger beschäftigt hatte.
Zoés Hände zerdrückten unwillkürlich den Pappbecher. Der heiße Kaffee lief ihr über die Finger, aber sie spürte es nicht. Ihre Augen waren auf die lange rote Haarsträhne gerichtet, die sich im Reißverschluss des Leichensacks verklemmt hatte und herausragte.
Einer der Träger öffnete den Sack, um die unbändige Locke hineinzustopfen. Das Ratschen des Reißverschlusses ging ihr durch Mark und Bein.
Am liebsten wäre sie sofort auf die Männer zugelaufen und hätte den Leichensack aufgerissen, um sich davon zu überzeugen, dass das Unmögliche nicht wahr sein konnte. Aber es gab keinen Zweifel mehr. Zoé kannte nur eine Frau, die solche wunderbaren roten Locken hatte. Ein Zufall war ausgeschlossen. In dem Plastiksack lag die Leiche von Anne Kreifelts.
Benommen von der schrecklichen Erkenntnis und zugleich der Panik nahe, war sie ziellos durch die Berliner Straßen geirrt und schließlich in einem Café auf
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