Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Schutz der Bäume und Sträucher bis zu der Kreuzung, an der kurz zuvor die beiden Wagen aus ihrem Blickfeld verschwunden waren.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkannte sie erleichtert den Taxistand. Und sie hatte Glück: Ein einsames Taxi schien nur auf sie zu warten.
Die Entfernung betrug etwa zwanzig Meter. Sie warf noch einmal einen Blick zurück zu dem weißen Lieferwagen, der unverändert an der Straße parkte. Die stetig wachsende Paranoia hatte ihr offensichtlich einen Streich gespielt. Sie lief los.
Kapitel 8
Die Schneeflocken hatten sich in Sekundenschnelle in eine Wand aus flimmernden Punkten verwandelt, die vom kalten Blaulicht der vorausfahrenden Limousine angestrahlt wurden. Das Martinshorn des gepanzerten Wagens verbreitete einen dröhnenden Lärm und bahnte ihnen den Weg durch den Feierabendverkehr der Hauptstadt.
Parker blinzelte in das blendende Licht und ließ den Porsche an der Stoßstange des vorausfahrenden Wagens kleben. Mit einer erstaunlichen Gewandtheit bewegte sich die schwere Limousine durch die vollen Straßen. Parker bremste, schaltete, beschleunigte den Porsche, um nur winzige Augenblicke später erneut heftig aufs Bremspedal zu treten und abermals Gas zu geben. All das passierte mechanisch, einzig und allein gesteuert von seinem Unterbewusstsein. Denn mit seinen Gedanken war er bei Anne.
Das Bild ihres wächsernen, maskenartigen Gesichts durchdrang jede Zelle seines Gehirns. Anne ist tot, hämmerte es durch seinen Schädel. Er konnte das weder glauben noch verstehen. Gedanken quollen nach oben wie heiße Magmablasen, platzten und spuckten ihr feuriges Inneres aus.
Anne war nicht drogenabhängig gewesen, doch nach dem Autopsieergebnis war sie ohne jeden Zweifel an einer Überdosis Drogen gestorben.
Und das war noch lange nicht alles, was sein Verstand nicht in den Griff bekam. Wer war der Mann, mit dem sie ihre letzte Nacht verbracht hatte? Anne hatte sich in Berlin nie über eine mangelnde Auswahl an Verehrern beklagen können. Und einer dieser Männer hatte sich einfach davongemacht, als sie mit dem Tode gerungen hatte. Er spürte einen Stich im Herzen, wie mit einer kalten Stahlklinge geführt. Dennoch zwang er sich dazu, sich die Situation vorzustellen. Sie hatte mit dem Mann geschlafen, vorher oder nachher hatten sie die Drogen genommen.
Aber Anne war nicht drogenabhängig!, schrie jemand mit seiner Stimme in seinem Kopf. Er verdrängte den Einwand. Etwas war schiefgelaufen, das war das Einizge, was feststand. Er versuchte es sich vorzustellen. Anne wurde plötzlich übel, nachdem sie die Drogen eingenommen hatte, sie fing an zu röcheln, rang nach Atem, eine Schweißschicht bedeckte ihren Körper, sie verlor immer wieder das Bewusstsein, sie wand sich im Bett, zuckte am ganzen Körper, und ihre Pupillen rutschten unter ihre Oberlider. Der Mann stand hilflos daneben. Er wusste nicht, was er tun sollte angesichts ihres sich immer weiter verschlimmernden Zustands. Panik stieg in ihm auf. Wenn er mit einer Drogenparty in Verbindung gebracht würde, wäre seine Karriere beendet, seine Familie zerstört. Schließlich raffte er Hals über Kopf seine Sachen zusammen und haute ab.
„Verdammt!“, brüllte Parker und schlug mit aller Macht auf das Lenkrad. Links und rechts wichen die Autos wie von Geisterhand gelenkt zur Seite. Die Limousine vor ihm beschleunigte, und Parker trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Aber warum hatte der Mann nicht wenigstens den Versuch unternommen, Hilfe zu holen? Ein anonymer Anruf bei der Polizei oder dem ärztlichen Notdienst hätte ihr wahrscheinlich das Leben retten können. Hatte er befürchtet, sie würde nach ihrer Rettung seinen Namen preisgeben?
Parker biss die Zähne zusammen, bis es weh tat. Ein neuer Gedanke drängte nach oben: Hatte der Unbekannte Anne schon verlassen, als sie die Drogen nahm? Hatte sie das Zeug etwa ganz allein geschluckt? Hatte sie überhaupt gewusst, dass es Drogen waren? Hatte man ihr eine Falle gestellt?
Nichts von alledem ergab einen Sinn. Anne passte einfach nicht zu den Umständen ihres eigenen Todes.
Oder hatte es doch Hinweise auf die Tragödie gegeben, die er übersehen hatte? Ihm war nichts Ungewöhnliches an ihr aufgefallen, als er sie im Oktober des vergangenen Jahres in München getroffen hatte. Es war ein Empfang auf der Kunstmesse gewesen. Erinnerungen stiegen in ihm auf. In dem knapp geschnittenen, hautengen Seidenkleid hatte sie die verstohlenen Blicke der männlichen Gäste auf
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