Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
des Bundeskanzleramts. Hauptkommissar Schmitt. Die Kanzlerin würde Sie gerne sprechen.“
Er war baff, und auch auf den Gesichtern seiner Begleiter mischte sich Überraschung mit Unglauben.
„Herr Parker, bitte folgen Sie mir. Wir haben nicht viel Zeit. Die Kanzlerin muss Berlin in einer Stunde verlassen und will Sie auf jeden Fall vorher sehen.“
Kapitel 5
Der schwere Mercedes-Geländewagen jagte über die enge Waldpiste und ließ rechts und links Schnee, Dreck und Gestrüpp aufspritzen. Der Wagen schaukelte von einer Seite zur anderen, doch das beunruhigte den Fahrer nicht. Entschieden trat er immer wieder das Gaspedal durch und zog tief an der Zigarette, die an seinen Lippen klebte.
Sein Aussehen – die dominante Adlernase und die messerscharf gescheitelten schlohweißen Haare – war eindrucksvoll. Ein intensiver graublauer Glanz lag in seinen Augen und verfehlte seine Wirkung auch nach weit über achtzig Lebensjahren nicht.
Grimmig dachte er an die Ereignisse der letzten Nacht. Die Operation in Berlin war katastrophal schiefgelaufen!
Er fluchte und warf die Zigarette aus dem halb geöffneten Fenster, während der Wagen über eine Bodenwelle hinwegjagte und wenige Augenblicke später krachend wieder auf dem Waldboden landete. Im Heck des Fahrzeugs ertönte das panische Jaulen des jungen grauen Jagdhunds.
Der Fahrer achtete nicht darauf. Seine Gedanken waren in Berlin, wo seine Männer nach dem Maulwurf fahndeten.
Ein Verräter in den eigenen Reihen! Noch immer konnte er es nicht fassen, obwohl der Verrat seit über sechzig Jahren sein Geschäft war.
Er drückte auf den Zigarettenanzünder und holte aus seiner Jackentasche eine weitere Zigarette heraus. Nur mit viel Geschick gelang es ihm, sie in dem schlingernden Wagen anzuzünden. Der Verräter hatte nur einen Aufschub bekommen, beruhigte er sich, einen Zeitgewinn, der sein sicheres Ende noch um einige wenige Stunden hinauszögerte. Mehr war nicht passiert.
Äste schlugen gegen den Mercedes, als sich der Weg zu einem scheinbar unwegsamen Pfad verengte. Für kurze Zeit verdeckte Schnee die Sicht, heruntergefallen von einem gewaltigen Tannenzweig, unter dem der Geländewagen durchgerauscht war.
Dann öffnete der Wald sich unversehens wieder und gab den Blick auf eine Lichtung frei.
Er trat mit Kraft auf die Bremse und brachte den Wagen vor einer Ansammlung grün gekleideter Männer mit Gewehren zum Stehen.
Hunde bellten, als er aus dem Mercedes sprang, und er spürte, dass er wieder in seinem Element war. Seine Laune besserte sich schlagartig.
Behutsam nahm er seine Waffe aus der Halterung hinter dem Sitz und steckte routiniert das volle Magazin in den Verschluss des Gewehrs.
„Willkommen, Carl von Thalberg“, drang es an sein Ohr. Thalberg. Er lächelte unwillkürlich, denn er mochte diesen alten, schweren Namen von dem Moment an, als er ihn sich gegeben hatte, damals in den Wäldern Ostpreußens. Über sechzig Jahre des Wartens lagen nun hinter ihm. Ein schneller Zug an der Zigarette ließ sein Lächeln verschwinden, und er ging mit der Waffe in der Hand auf die Männer zu.
Die Jagd hatte endlich begonnen.
Kapitel 6
Gebannt starrte die junge Frau in die Turmstraße. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte sie die in schwaches Laternenlicht getauchten Umrisse mehrerer Gebäude, die im rückwärtigen Teil das rechtsmedizinische Institut der Charité beherbergten.
Vorsichtig lugte sie durch die Äste und Zweige eines ausladenden Gebüschs im Tiergarten. Ein langer, schwarzer Wintermantel bot ihr Schutz vor dem nassen Schnee, aber die Kälte konnte das Kleidungsstück nicht vollständig abhalten. Von Zeit zu Zeit lief ein Zittern durch ihren Körper.
Blonde Haare lugten unter der schwarzen Wollmütze hervor und gaben dem hübschen ovalen Gesicht einen ansehnlichen Rahmen. In ihren Augen lagen Verständnislosigkeit und Enttäuschung.
Vor wenigen Minuten war sie fast fluchtartig aus der Rechtsmedizin gelaufen. Kurz bevor sie den Ausgang der Anlage erreicht hatte, war ein schwarzer Audi mit flackerndem Blaulicht und quietschenden Reifen vor den Eingang des Gebäudekomplexes gefahren und ein Mann mit der Figur eines Preisboxers und kurzen blonden Haaren herausgesprungen. Unverkennbar ein Polizist, ging es ihr schockartig durch den Kopf. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, setzte sie ihren Weg zum rettenden Ausgang mit schnellen Schritten fort. Ihre rechte Hand hatte sie zur Faust geballt. Fest umschlossen lag darin ein blauer USB-Stick.
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