Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
sich in die großen weißen Sessel zu setzen. Doch er blieb stehen.
„Sie werden mich doch nach Russland begleiten, Herr Parker?“
„Selbstverständlich“, erwiderte er. „Wenn Sie mir verraten, wie Sie ausgerechnet auf mich gekommen sind.“
„Nicht so bescheiden. Sie sind eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Kunstrechts – weit über die Grenzen hinaus bekannt. Und außerdem sind Sie es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Genau aus diesem Grund haben wir uns für Sie entschieden.“
Ihn beschlich das vage Gefühl, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Ohne weiteres fielen ihm die Namen von zwei oder drei älteren Kollegen ein, deren Renommee das seine bei weitem überstieg. Experten, die schon auf dem Gebiet des Kunstrechts geforscht hatten, als er noch mit der Schultüte in der Hand herumgelaufen war. Warum die Kanzlerin ihn diesen Koryphäen vorzog, war ihm schleierhaft.
„Wie ich im Fernsehen sehen konnte, haben Sie sich bereits eine Verhandlungstaktik zurechtgelegt.“ Sie schaute ihn abwartend an.
„Eher ein paar Eröffnungszüge, die uns die Initiative bringen sollen.“ Mit seiner rechten Hand deutete er lächelnd auf das Ensemble der großen Schachfiguren. „Spielen Sie gerne?“
„Ich bin im Osten Deutschlands aufgewachsen, wie Sie natürlich wissen – da hat man zwangsläufig nicht nur die Russen, sondern auch Schach kennengelernt. Für die Russen ist es allerdings weit mehr als nur ein Spiel.“
„Und für Sie?“
„Ich akzeptiere die Regeln, so wie sie sind, Herr Parker.“ Ihre Augen musterten ihn mehrere Sekunden. „Glauben Sie mir, ich kenne die Russen besser als Sie. Mit Ihrer Taktik von Verständnis und Zuneigung werden wir in Moskau scheitern. Im Übrigen bitte ich Sie, künftig mir als der Kanzlerin die Verhandlungsführung zu überlassen.“ Unter ihren Schlupflidern wurde der Blick stahlhart. „Russland hat mit dem Duma-Gesetz von 1998 die gesamte in Deutschland erbeutete Kunst zum Staatseigentum erklärt und damit die Rückgabe der deutschen Kunstwerke für immer ausgeschlossen. Damit hat der Kreml unsere Kulturgüter endgültig vereinnahmt.“
Parker sah sie regungslos an, obwohl er überrascht war von der Energie, die plötzlich von der kleinen Frau ausging und die er bei ihren Fernsehauftritten noch nie bemerkt hatte.
„Für die Russen stellen die Kunstwerke eine gerechtfertigte Kompensation der schrecklichen Leiden des Krieges dar“, warf er ein.
„Das weiß ich sehr wohl.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und ganz unter uns gesagt, halte ich das russische Begehren nach einem Ausgleich auch für verständlich. Aber das darf nicht zu einer Legalisierung von Kunstraub führen. Die Beutekunst ist und bleibt deutsche Kunst – und die gehört nun mal zurück, oder sehen Sie das anders?“
Er seufzte. „Die Kultur gehört zu einem Volk wie die Seele zum Leib. Und jedes Volk hat ein Recht darauf.“ Wie oft hatte er für diesen Grundsatz juristisch gekämpft, aber Recht haben und Recht bekommen waren eben zwei unterschiedliche Dinge. „Deutschland wird nicht ein einziges Gemälde restituiert bekommen, wenn wir nur stur auf unserem Recht beharren. Zunächst muss Vertrauen geschaffen und die Spirale der wechselseitigen Vorhaltungen und Anschuldigungen durchbrochen werden.“
„Sie reden wie meine Diplomaten.“ Ihr Blick fiel auf die Spitzen ihrer flachen Schuhe, verharrte dort eine Weile und kam zu Parker zurück. „Nur gebracht haben diese weisen Ratschläge bisher nicht sonderlich viel.“
„Weil es nie ehrlich gemeint war.“
„Stellen Sie die Dinge nicht ein wenig auf den Kopf? Bislang waren es doch die Russen, die uns erst in dem Glauben gelassen haben, dass es zu einer baldigen Rückgabe der Kunstwerke kommt – nur um dann die gesamte Raubkunst aus Deutschland zu enteignen.“ Die Regierungschefin wandte sich von ihm ab und widmete sich abermals dem Fenster aus massivem Panzerglas, über das der Wind den schmelzenden Schneeregen trieb und die Sicht verzerrte.
Parker blickte über die Regierungschefin hinweg in die Berliner Dunkelheit. „Moskau wird nicht zulassen, dass die Deutschen die Museen und Archive wieder leer räumen, nur weil der Krieg seit sechs Jahrzehnten vorbei ist.“ Er fragte sich ernsthaft, welchen Sinn die Moskaureise hatte, wenn beide Seiten nur planten, längst bekannte Rechtspositionen auszutauschen. „Was halten Sie vom russischen Präsidenten?“
Die Kanzlerin schnaubte leicht. „Wollen Sie das
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