Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
brannte das Licht in der Küche. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, es ausgemacht zu haben, habe mir aber dennoch nichts weiter dabei gedacht.“ Sie streckte die Arme aus, verschränkte die Hände und hielt die Spannung.
„Und?“
„Ich bin in die Küche gegangen und habe fast einen Herzschlag bekommen.“
„Das Essen war schon fertig, und Ihr Phantom saß wartend am Küchentisch?“
„Fast.“ Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Der Tisch war tatsächlich gedeckt.“ Abwartend schaute sie ihn an.
„Soll ich noch mal raten?“
„Sie kommen sowieso nicht drauf. Auf dem Tisch lag ein Haufen Bücher – und darauf ein Handy.“
Lachend sagte Parker: „Ein literaturbegeistertes Phantom, toll! Was für Bücher waren es denn?“
„Sie werden es sich denken können. Es ging samt und sonders um das verschollene Bernsteinzimmer.“
„Fanden Sie das alles nicht ein bisschen sehr merkwürdig? Ich meine, haben Sie nicht daran gedacht, die Polizei zu rufen?“
„Ja, schon. Aber irgendwie habe ich mir eingeredet, dass einer dieser verrückten Künstler dahintersteckt. Die spinnen zwar, sind aber völlig harmlos.“
„Sie nahmen an, dass Sie Teil eines happenings waren?“
„Ich weiß nicht mehr.“ Sie seufzte. „Als ich den vollbepackten Tisch gesehen habe, war ich schon geschockt. Ich habe mir ein großes Küchenmesser geschnappt und die ganze Wohnung durchsucht. Aber die war natürlich leer. Dann habe ich die Tür von innen verriegelt und bin zurück in die Küche gegangen. Dort lagen ja noch immer die Bücher. Glauben Sie mir, ich habe mich kaum getraut, die Dinger anzufassen, von dem Handy ganz zu schweigen. Mit dem Messer habe ich vorsichtig ein Buch aufgeschlagen.“ Sie streckte sich noch einmal und setzte sich dann kerzengerade in einen Schneidersitz. „Na ja, schließlich hat die Neugier doch gesiegt, und ich habe angefangen zu lesen.“
Irgendjemand hatte ein Netz gespannt. Aber warum? Was hatte ausgerechnet Zoé mit dem Bernsteinzimmer zu tun? Er strich sich über den Hinterkopf. „Wie lange hat das Phantom gewartet, bis es Sie angerufen hat?“
„Bis zum Morgen.“ Ein Schauder ergriff sie. „Ich hätte wissen müssen, dass mit solchen Leuten nicht zu spaßen ist.“
Sie lehnte sich zurück in den Sitz und begann, ihm von dem seltsamen Telefonat zu berichten. Die Erinnerung an das Gespräch im Morgengrauen stieg plötzlich klar und deutlich vor ihrem geistigen Auge auf, fast so, als ob sie es gerade erst beendet hätte. Sie war am Küchentisch über den Büchern eingeschlafen, und ein schriller Ton hatte sie gegen fünf Uhr morgens aufschrecken lassen. Vorsichtig ergriff sie das Handy, als ob es eine Bombe wäre. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch nahm sie das Gespräch an.
„Wer ist da?“, sagte sie so bestimmt, wie es ihr möglich war.
„Unwichtig“, antwortete eine ältere männliche Stimme. Der Anrufer schnaufte. „Hören Sie mir zu. Es ist wichtig. Es geht um das Bernsteinzimmer.“
„Ich dachte, das sei 1945 in Königsberg verbrannt.“
„Unsinn. Haben Sie die Bücher nicht gelesen, die ich Ihnen dagelassen habe?“, schnaufte der Anrufer. „Das Bernsteinzimmer konnte noch rechtzeitig aus dem Königsberger Kessel evakuiert werden.“ Wieder hörte sie das laute Atmen des Mannes. „Es ist in Deutschland.“ Die Stimme verriet seine Erschöpfung. Ob er sie schon seit Stunden beschattete? Vielleicht hatte er die Nacht draußen in der frostigen Kälte verbracht? Einer Eingebung folgend, erhob sie sich langsam von ihrem Stuhl und schlich mit dem Handy in der Hand ins Wohnzimmer. Versteckt lugte sie durch die Gardinen nach draußen. Sie hatte erwartet, in einem dunklen Hauseingang die Gestalt eines Mannes auszumachen oder wenigstens seine Schuhe im Laternenlicht aufblitzen zu sehen. Aber die Straße war menschenleer. Sie wollte gerade wieder umkehren, als sie das Geräusch eines vorbeifahrenden Wagens hörte – erst durch das Fenster und dann durch das Telefon.
„Sie haben die Küche verlassen“, stellte der Anrufer fest. „Ich wette, Sie stehen am Fenster hinter der Gardine. Gehen Sie ruhig wieder zurück in die Küche“, sagte er mit einem höhnischen Unterton. „Ich bin hier draußen – aber Sie können mich vom Fenster aus nicht sehen.“
Ertappt zuckte sie zurück. „Wer sind Sie, verdammt noch mal? Sagen Sie es mir, oder ich lege auf!“
„Nichts werden Sie tun. Oder interessiert Sie der Verbleib des berühmten Bernsteinzimmers etwa nicht,
Weitere Kostenlose Bücher