Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
unterbrach Parker überrascht. War der Zarenschatz also doch ein Opfer russischer Torpedos geworden und gemeinsam mit über neuntausend Flüchtlingen und fast zweitausend Marineangehörigen untergegangen? Erst vor kurzem war die Nachricht um die Welt gegangen, dass Unbekannte ein metergroßes Loch in den Rumpf des Schiffswracks gesprengt hatten. Hatten die Taucher im Inneren der Gustloff nach dem Bernsteinzimmer gesucht?
Doch Zoé schüttelte den Kopf. „Nein, es war nicht die Gustloff – die lag zu der Zeit noch in Danzig. Die Verladung erfolgte auf ein kleineres Schiff, die Pretoria .“
„Und woher wissen Sie, dass das Bernsteinzimmer nicht auf der Emden geblieben ist?“
„Ich kann es nicht beweisen“, räumte Zoé ein. „Aber ich bin mir ziemlich sicher. Auf der Emden befand sich nämlich noch eine prominente Ladung, die auch auf die Pretoria verbracht wurde. Stellen Sie sich vor, die Leichname des Ehepaars von Hindenburg lagen in Bronzesarkophagen im großen Saal der Emden und sind in Pillau auf die Pretoria umgeladen worden. Hindenburgs Sohn hatte am 20. Januar 1945 die Särge seiner Eltern mit einem Pionierkommando aus der Gruft unter dem Siegerdenkmal in Tannenberg evakuiert. Eigentlich war geplant, die Hindenburgs mit der Emden in Sicherheit zu bringen, doch dann hat man wegen des Maschinenschadens umdisponiert. Es spricht folglich viel dafür, dass das Bernsteinzimmer und die Foch’sche Kunstsammlung den gleichen Weg gegangen sind wie die Sarkophage.“
Parker verzog das Gesicht. Wie gewieft von Foch, seine Kunstsammlung und die Bernsteintafeln sozusagen dem besonderen Schutz der Hindenburgs zu unterstellen. „Zumindest steht fest, dass es noch im Januar 1945 möglich war, eine wertvolle Fracht sicher aus Königsberg herauszubekommen.“ Parker richtete sich hinter dem Lenkrad auf. „Und das trotz Bombenhagel und Granatfeuer.“
„Und der Torpedos der russischen U-Boote, denn die Route führte ab Pillau über die See. Auf der Landseite war Königsberg ohnehin von den Verbänden der Roten Armee so gut wie eingeschlossen. Ende Januar standen die Russen schon am Frischen Haff.“
„Das Bernsteinzimmer könnte in der Tat zusammen mit den Hindenburgs aus Ostpreußen geschleust worden sein.“ Parker verlangsamte das Tempo des Jaguars. „Haben Sie etwas über diesen Sturmbannfritzen herausgefunden?“
„Gommel. Obersturmbannführer, also schon ein höheres Tier in der SS. Und dann auch noch unmittelbar von Foch mit der Leitung einer solch delikaten Aufgabe betraut. Ich hatte angenommen, dass ich früher oder später in der Bernsteinzimmerliteratur auf diesen Namen stoßen würde.“ Auf ihrer Miene spiegelte sich Verwirrung wider. „Aber tatsächlich fand ich nicht den geringsten Hinweis auf den …“, sie verzog den Mund zu einem Lächeln, „… Sturmbannfritzen. Absolut nichts.“
Die Müdigkeit hatte sich zwischenzeitlich erfolgreich bis in Parkers Augen vorgekämpft, so dass er erleichtert den Hinweis auf eine nahende Tankstelle las. Minuten später setzte er den Blinker, und sie verließen die Autobahn. Er ließ den Wagen vor den Tanksäulen ausrollen und stellte den Motor ab.
Fahles Licht fiel in den Innenraum des Jaguars, das an Zoé abperlte wie Wasser auf Wachs. Nach ihrem kurzen Schlaf wirkte sie wieder völlig ausgeruht und strahlend schön. Er hingegen fühlte sich erschöpft und fürchtete, dass sich das auch kaum verbergen ließ. Eine Tasse Kaffee würde ihm sicherlich nicht schaden. Doch vorher interessierte ihn der Foch’sche Befehl. Konzentriert studierte er das eingescannte Dokument auf dem Bildschirm. Es war als Geheime Kommandosache eingestuft und trug Stempel und Unterschrift der Gauleitung. Am unteren rechten Rand erkannte er eine dunkle Verfärbung.
„Was ist das?“ Er zeigte auf den Fleck.
„Blut“, sagte Zoé knapp.
Verwundert schaute er zu ihr herüber. Dass am Bernsteinzimmerbefehl Blut klebte, hätte er sich eigentlich denken können. „Haben Sie es untersuchen lassen?“
„Das Blut, das Papier, die Schreibmaschinenanschläge und die Tinte – alles.“
Er warf ihr einen anerkennenden Blick zu. „Und?“
„Papier, Schreibmaschine und Tinte scheinen tatsächlich in der Mitte des letzten Jahrhunderts gebräuchlich gewesen zu sein. Das sagt aber nicht viel. Natürlich könnte der Befehl auch später auf einer alten Schreibmaschine mit den alten Materialien hergestellt worden sein, aber das Blut ist interessant.“
„Gommel?“
Zoé zuckte mit
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