Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Kindchen?“ So etwas wie ein Lachen drang an ihr Ohr. „Zugegeben, die Paneele sind im Laufe der letzten sechzig Jahre ein bisschen eingedunkelt“, fuhr er ungerührt fort, „aber es besitzt noch immer seine ganze majestätische Erhabenheit. Ein Weltwunder, mein Kind. Glauben Sie mir, ich habe es oft genug bestaunen dürfen.“
Ihr wurde immer unbehaglicher zumute. Ob sie einen Verrückten in der Leitung hatte? Vielleicht handelte es sich um eine besonders seltsame Art von Stalking? Sie riss sich zusammen. „Zum letzten Mal. Ich hab keine Lust auf Katz-und-Maus-Spielchen. Beantworten Sie meine Fragen: Wer sind Sie? Warum sind Sie in meine Wohnung eingebrochen? Und was wollen Sie von mir?“
„Immer hübsch langsam, Kindchen.“
Die Wut stieg in ihr auf. Energisch riss sie den Vorhang beiseite und öffnete das Fenster. „Sehen Sie mich?“, rief sie. Die kalte Luft der Winternacht tat ihr gut, minderte aber ihren Zorn nicht. „Reden Sie“, sagte sie ins Telefon, „oder ich schmeiße das Handy aus dem Fenster und hole die Polizei!“ Sie streckte den Arm weit nach draußen und hielt das Telefon nur noch mit zwei Fingern. Sofort vernahm sie unverständliche Geräusche aus dem Lautsprecher. Sie ließ noch ein paar Sekunden verstreichen und drückte das Telefon dann wieder an ihr Ohr.
„Gut, gut“, besänftigte sie der Mann. „Bleiben Sie ruhig und hören Sie mir zu. Das Bernsteinzimmer ist in Gefahr. Ich will, dass Sie es finden!“
Zoé verstand nicht. „Ich dachte, Sie wissen, wo es sich befindet.“
Außer einem Schnaufen war nichts zu hören. „Ich weiß es auch“, sagte er nach einer Weile.
„Dann verraten Sie es mir!“ Das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals.
„Das geht nicht.“
„Warum?“
Das Schnaufen hatte sich in ein Keuchen verwandelt, als er weitersprach. „Ich muss aufpassen, sonst ende ich noch mit einer Kugel im Kopf – und das auf meine alten Tage.“ Er lachte kurz und kehlig auf. „Aber ich kann Ihnen helfen, die Spur zu finden.“
Zoé war hin- und hergerissen. Da lag etwas in der Stimme des Mannes, das sehr glaubhaft war. Sie schloss das Fenster und kehrte in die Küche zurück. „Ich brauche einen Beweis“, sagte sie, als sie sich wieder auf den Küchenstuhl setzte.
„Das habe ich mir schon gedacht. Gehen Sie nach unten zu Ihrem Briefkasten. Dort werden Sie Ihren Beweis finden. Sie wissen, wer Erich Foch war?“
„Der Gauleiter von Ostpreußen“, erwiderte sie. Das sagenumwobene Bernsteinzimmer war untrennbar mit Fochs Schreckensherrschaft verbunden. Sie hatte in den letzten Stunden so viel über die Untaten dieses Mannes gelesen, dass sie den Namen nie mehr vergessen würde.
„Der braune Tyrann von Königsberg. Herrscher über Leben und Tod in seinem Reich hinter der Front – aber als die Russen dann kamen, hat er sich klammheimlich mit seinen SS-Leuten abgesetzt. Den glorreichen Endkampf hat er lieber den Ostpreußen, diesen verlorenen Seelen, überlassen. Wie ein Dieb in der Nacht hat er sich davongemacht. Bei Kriegsende ist er in Flensburg wieder aufgetaucht – freilich unter falschem Namen als angeblicher Wehrmachtsmajor Rolf Berger.“ Der Abscheu des Anrufers war unüberhörbar. „Doch dann haben ihn die Tommies doch noch geschnappt und den Polen ausgeliefert. Und die hätten ihn gleich am nächsten Baum aufknüpfen sollen, Kindch–“ Er räusperte sich. „Stattdessen haben sie ihn über das Bernsteinzimmer ausgequetscht. Wissen Sie, was er den Polen erzählt hat?“
„Ja“, antwortete Zoé, die sich an den Satz erinnerte, den der Gauleiter bei den Verhören wie ein Mantra wiederholt hatte. „ Finden Sie meine Kunstsammlung, dann haben Sie auch das Bernsteinzimmer! “
Verächtlich atmete der Mann aus. „Alle haben gedacht, dass er lügt, damit die Polen ihn nicht hinrichten, aber in Wirklichkeit hat er die Wahrheit gesagt.“ Er hielt kurz inne. „Gehen Sie zu Ihrem Briefkasten, dann werden Sie verstehen. Ich melde mich in zwei Tagen.“
Die Leitung wurde unterbrochen. Das Gespräch war zu Ende.
Zoé blieb verstört auf ihrem Stuhl sitzen und starrte auf das Telefon in ihrer Hand. Erst als sie im Hausflur die morgendlichen Geräusche der Nachbarn hörte, traute sie sich zum Briefkasten.
Kapitel 25
Parker war gespannt, was der alte Mann in Zoés Briefkasten deponiert hatte, aber sie gab ihm zu verstehen, dass er sich noch ein wenig gedulden musste. „Es ist auf dem Laptop gespeichert“, sagte sie, während sie den Computer aus
Weitere Kostenlose Bücher