Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
wurde. Bekanntlich haben die deutschen Kampftruppen im Katharinenpalast ziemlich gewütet und nicht viel Rücksicht auf das Bernsteinzimmer genommen.“
Zoé neigte den Kopf. Er hatte recht. Erst nachdem die sogenannten Kunstschutzoffiziere der Wehrmacht in Zarskoje Zelo, dem Katharinenpalast, eingetroffen waren, gelang es, den kleinen und größeren Plünderungen Einhalt zu gebieten. Freilich nicht aus reiner Kunstsinnigkeit, sondern um die Beute für die hochrangigen NS-Bonzen zu sichern. Auch Zoé konnte nicht mit Sicherheit ausschließen, dass es sich nicht um eine gut gemachte Fälschung handelte, aber sie war sich ziemlich sicher, vor einem Bernsteinstück zu stehen, das 1941 aus St. Petersburg in Königsberg eingetroffen war. „Als die Bernsteinpaneele in Ostpreußen angeliefert wurden, hat der Direktor des Museums, Dr. Brandner, zunächst eine genaue Inventarliste angefertigt“, sagte sie zu Parker. „Von fehlenden Friedrich-Intarsien ist dort nichts vermerkt.“ Sie war überzeugt, dass dies kein Zufall war. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Brandner das Fehlen einer Intarsie übersehen hat. Die Initialen Friedrichs des Großen wurden im Dritten Reich ja gerade als Beweis dafür angesehen, dass das Bernsteinzimmer den Deutschen und nicht den Russen zustand.“
„Obwohl erst die Zarin die Ausarbeitung des Kürzels in Auftrag gegeben hat“, bemerkte Parker.
„Das spielte damals keine Rolle. Brandner selbst hat in einem Zeitungsartikel geschwärmt von der Rückkehr des Bernsteinzimmers in die Königsberger Heimat. Und er war nun wirklich kein fanatischer Nazi, noch nicht einmal in der NSDAP.“
„Das Bernsteinzimmer ist preußisch!“, donnerte Falkenhayn plötzlich los und setzte das mittlerweile leere Glas laut auf dem Tisch ab. „Glauben Sie etwa, der Soldatenkönig hätte das Tabakskollegium seines Vaters einfach so weggegeben? Der hatte doch keine Wahl. Preußen brauchte dringend die Hilfe der russischen Armee gegen die Schweden.“
„Die Hilfe hat Friedrich Wilhelm ja auch bekommen“, wandte Parker ein.
„Was wollen Sie damit sagen? Meinen Sie etwa, dass die Übergabe des Bernsteinzimmers an die Russen rechtmäßig war?“ Falkenhayns Augen funkelten. „Da liegen Sie falsch. Der Zar hat das Bernsteinzimmer nicht geschenkt bekommen. Er hat es sich in einer Notlage Preußens einfach genommen. Das war ein knallhartes Diktat der Russen, nichts anderes als Raub!“ Falkenhayn schnaufte. „Aber selbst wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, dann bleibt eines doch noch immer richtig: Die Sowjets hatten jedenfalls keinen Anspruch auf das angebliche Geschenk des preußischen Königs an den Zaren. Die Bolschewisten haben die Zarenfamilie an die Wand gestellt und abgeknallt – und dann haben sie ihre Besitztümer geplündert. Das ist die Wahrheit.“ Mit zusammengekniffenen Lippen und einem giftigen Ausdruck in den Augen starrte er sie an. „Oder wollen Sie etwa behaupten, dass ein Mörder behalten darf, was er der Leiche geraubt hat?“ Falkenhayn hatte seinen knöchrigen Zeigefinger direkt auf Parker gerichtet und stützte sich jetzt halb erhoben auf den Tisch.
Parker lehnte sich gegen die Wand neben dem Kamin. „Belassen Sie es beim Bernsteinzimmer, oder fordern Sie auch gleich das gesamte Kreml-Schloss im Namen der Zarenfamilie?“, fragte er ungerührt zurück. „Das Bernsteinzimmer gehört dem russischen Volk – unabhängig davon, welche Staatsform Russland gerade aufweist. Und nur zu Ihrer Information: Zwischenzeitlich ist der Sowjetstaat untergegangen.“
Falkenhayns Miene zeugte von Resignation. Schwerfällig setzte er sich wieder hin. „Sie verstehen nichts. Sie leben in einer Zeit, in der man nichts versteht oder nichts verstehen will. Sie glauben wahrscheinlich, die Kommunisten in Moskau seien aufrichtige Menschen gewesen. So ein Blödsinn! Ich sage Ihnen mal die Wahrheit. Während Phantasten wie Sie in den Betten lagen und vom Weltfrieden geträumt haben, haben Leute wie ich die Dinge getan, die notwendig waren.“ Er vollführte eine resignierende Handbewegung und zog das leere Wodkaglas zu sich heran.
„Dinge, von denen Leute wie Sie etwas verstanden, nehme ich an.“ Auf Parkers Gesicht lag eine Mischung aus Abscheu und Zorn. „Nur schade, dass Sie nach dem Krieg im Verborgenen arbeiten mussten, vorher lagen die Dinge wesentlich einfacher, nicht wahr?“
„Parker, ich meine es ernst.“ Falkenhayn starrte auf das Wodkaglas. „Wir haben verhindert, dass auch noch
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