Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Sie konnte ihn unmöglich verstehen. Sein Denken und Handeln war ihr so fremd – wie aus einer anderen Welt.
Für was hatte diese Generation bloß gelebt? Und für was war sie eigentlich gestorben?
Sie rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Plötzlich bemerkte sie am Waldrand einen kleinen Pfad, der ihr bisher nicht aufgefallen war. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen, führte er links neben einem gewaltigen Felsbrocken in den Wald. Der Felsen war so groß wie die vorkeltischen Hinkelsteine, auf die sie als kleines Mädchen bei Ausflügen gerne geklettert war, und glänzte grau in der Sonne. Es schien, als ob jemand ihn absichtlich dort hingelegt hätte, als Landmarke für den Beginn des Waldwegs.
Zoé blinzelte und fühlte einen leichten Schwindel, der eine Eingebung in ihre Gedanken wirbelte. Ich kenne diesen Stein und auch den Pfad.
Doch das war unmöglich. Eine bloße Einbildung. Kein Wunder nach den Ereignissen der letzten beiden Tage.
Sie schaute zu den Männern herüber und versuchte das Déjà vu zu vertreiben, aber das unwirkliche Gefühl ließ sich nicht abschütteln.
Kapitel 31
Zoé ging unruhig in der Hütte auf und ab, in der sich eine gespannte Stille ausgebreitet hatte. Parker saß auf einem Holzschemel mit Falkenhayn am Tisch. Mit der linken Hand tastete er vorsichtig seinen Brustkorb ab. Der Schlag mit dem Gewehrkolben bereitete ihm höllische Schmerzen, davon war Zoé überzeugt, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Sie sah zu Falkenhayn herüber. „Was genau haben Sie im Krieg gemacht?“
„Das geht Sie einen Dreck an!“ Er zeigte seine perlweißen Zähne. „Kindchen, Sie sind hier wegen des Bernsteinzimmers, und darüber sollten wir jetzt langsam mal sprechen.“
„Gut.“ Auch sie wollte endlich zur Sache kommen.
„Frau Velázquez.“ Falkenhayn suchte Blickkontakt und hielt ihn. „Ich will, dass Sie einen Artikel schreiben. Einen Artikel darüber, dass Sie mit eigenen Augen die Friedrich-Intarsie gesehen haben – den Beweis für die Existenz des Bernsteinzimmers. Sagen Sie den Leuten, dass das Bernsteinzimmer nicht in Königsberg verbrannt ist, sondern in Deutschland versteckt wird.“
Zoé blieb stehen. „Wo?“
„Das müssen Sie schon selbst herausfinden. Sie wissen, dass ich keine weiteren Informationen preisgeben kann. Wenn Sie eine Spur haben, kann ich Ihnen möglicherweise bestätigen, ob Sie richtigliegen. Mehr aber auch nicht.“
„Was wir haben, reicht noch lange nicht für eine Story. Wenn wir die Intarsie vorlegen, werden vier von fünf selbsternannten Fachleuten und Gutachtern die Echtheit der Arbeit anzweifeln.“ Sie warf Parker einen Blick zu, der zustimmend nickte. „Und das war es dann.“
„Die Intarsie vorlegen?“ Falkenhayn stieß ein kehliges Lachen aus. „Sie träumen! Die Intarsie haben Sie heute zum ersten und zum letzten Mal gesehen.“
Überrascht ging Zoé auf ihn zu. „Ach, so ist das.“ Sie schüttelte den Kopf. „Glauben Sie etwa, der Befehl von Erich Foch an einen völlig unbekannten SS-Offizier sei ein ausreichender Beweis für die Existenz des Bernsteinzimmers? Wir wissen ja noch nicht einmal, was aus dem mysteriösen Gommel geworden ist. Der Name taucht in der gesamten Bernsteinzimmerforschung nicht ein einziges Mal auf.“
„Gommel ist eine reale Person. Er hat jahrelang für Foch gearbeitet. Sie wissen das. Sie haben doch sein Blut untersuchen lassen.“
Zoé war verblüfft. Woher wusste er von den Untersuchungen?
„Durchforsten Sie die alten SS-Karteien in den Archiven. Sie werden auf Gommel stoßen.“
„Hat er also doch den Transport begleitet?“, fragte sie.
Der Alte schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein. Er war verhindert.“
„Es ist also tatsächlich Gommels Blut auf dem Befehl?“
Falkenhayn nickte.
„Was ist ihm zugestoßen?“
„Das ist heute nicht mehr wichtig.“ Er schenkte sich Wodka nach. „Was wollen Sie denn noch mehr? Sie kennen doch nun die Route über die Ostsee, die das Bernsteinzimmer genommen hat. Das ist Beweis genug.“ Er hob seine Hände. „Es ist nicht in Königsberg verbrannt. Na, wenn das keinen Artikel wert ist.“
„Das Bernsteinzimmer sollte in die Verstecke B I und B II verbracht werden“, sagte Zoé. „Wir glauben, dass es sich hierbei um die beiden Kalischächte in Bernterode handelt.“
Falkenhayn senkte leicht den Kopf. Eine vage Bestätigung.
„Dort sind die Paneele aber nie eingelagert worden.“
Das zerfurchte Gesicht des alten Mannes verwandelte sich
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