Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
das ausgewaschene Jagdhemd und dazu eine alte Cordhose. Parker strich mit den Fingern über die Hosentaschen des Toten, die jedoch leer waren. Als er sich wieder aufrichtete, stieß er mit dem Fuß gegen die Pistole. Eine kompakte Walther. Schwarz schimmerte der Stahl auf den Holzdielen. Falkenhayn, warum hast du dich umgebracht? Was ist passiert, seitdem du die Almhütte verlassen hast?
Plötzlich fiel sein Blick auf die linke Hand des Toten, die einen bräunlichen Gegenstand verborgen hielt. Falkenhayn musste ihn umklammert haben, als die Kugel ihn getroffen hatte, so fest, dass er den Gegenstand sogar im Augenblick des Todes nicht fallen ließ. Parker legte seine Hand auf die des toten Mannes und spürte einen Rest Körperwärme. Behutsam öffnete er die knöchrigen Finger und nahm den Gegenstand an sich.
Verblüfft blickte er auf ein Amulett aus Bernstein, das ungefähr sechs Zentimeter hoch und fünf Zentimeter breit war. Im Inneren befand sich ein kleines silbernes Plättchen, und auf der blank polierten Silberoberfläche war eine Gravur zu erkennen. Laut las er: „Für Fritz in Liebe von Deiner Maria! Königsberg, den 23.01.1945“
„Maria?“, hörte er Zoé mit ungläubigem Tonfall sagen.
Er fuhr herum und sah sie mit fassungslosem Blick in der Tür stehen.
Zoé hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Das war unmöglich, ging es ihr immer wieder durch den Kopf. Und doch ergab es einen Sinn – oder eher einen Wahnsinn.
Wie in Trance trat sie auf Parker zu und bemerkte die vielen Fotos an den Wänden. Fieberhaft glitt ihr Blick über die großen und kleinen Aufnahmen, aber das erwartete Bild war nicht dabei. Oder ist es doch nur eine zufällige Namensübereinstimmung? Sie biss sich auf die Lippe und drehte sich zu Parker um.
Gespannt schaute er sie an. „Wer ist Maria?“
Sie wollte ihm antworten, aber da entdeckte sie das Amulett in seiner Hand. Der schimmernde Bernstein weckte schockartig eine weitere Welle der Erinnerungen in ihr. Ihre Lippen bebten, als sie die Hand nach dem Talisman ausstreckte.
„Bitte“, mehr brachte sie nicht heraus.
Wortlos reichte er ihr das Amulett, und sie nahm es und fuhr mit dem Nagel ihres Daumens am Rand des Silberplättchens entlang. Als sie die Einkerbung spürte, drückte sie – und das Plättchen sprang auf. Unter dem silbernen Deckelchen kam das Bild einer hübschen, jungen Frau mit hohen Wangenknochen und blonden Haaren zum Vorschein. Wie sie erwartet hatte, wiesen die Gesichtszüge eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihren eigenen auf. Schwindel ergriff sie, und sie hatte das Gefühl zu schweben. Sie sah sich selbst als kleines Mädchen über eine grüne Weise laufen, genau in die Arme einer blonden Frau mit blauen Augen. Sie roch das süße Parfüm, als die Frau sie lachend an ihren Busen drückte. Ein starkes Glücksgefühl erfasste sie und verschwand sofort wieder.
Verwirrt zeigte sie Parker das Foto im Amulett. „Das ist Maria. Meine Großmutter.“
Kapitel 34
Parker begann zu verstehen. Zoé war nicht zufällig in die Affäre hineingeraten. Falkenhayn hatte bewusst die Enkelin von Maria ausgewählt, aber was wollte er damit bezwecken? Warum hatte er Zoé in dieses lebensgefährliche Unternehmen mit hineingezogen?
„Lebt Ihre Großmutter noch?“, fragte er.
Sie war sichtlich erschüttert von den neuen Erkenntnissen. Betroffen schaute sie ihn an. „Ja, natürlich.“
„Wir sollten ihr einen Besuch abstatten, finden Sie nicht?“
„Sie glauben, meine Oma hat etwas mit dem Bernsteinzimmer zu tun?“ Sie sah ihn an, als ob er vollkommen den Verstand verloren hätte.
„Nun ja“, sagte er. „Alles deutet darauf hin.“
Zoés Blick wanderte wieder zu dem Amulett in ihrer Hand. „Meine Oma soll in eine solche Verschwörung verwickelt sein?“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
„Ich weiß, dass der Gedanke für Sie nur schwer zu akzeptieren ist, aber es besteht nun mal eine unmittelbare Verbindung zwischen Ihrer Großmutter und Falkenhayn. So wie es aussieht, waren die beiden im Januar 1945 ein Liebespaar. Sie waren also genau zu der Zeit in Königsberg, als das Bernsteinzimmer aus der Stadt herausgeschleust worden ist. Und Falkenhayn hat nicht irgendeinen Journalisten, sondern ausgerechnet Sie mit den geheimen Informationen versorgt. Das ist kein Zufall.“ Parker spürte, dass sie sich nur widerstrebend mit dem Gedanken an eine Verstrickung ihrer Großmutter abfand. Langsam klappte sie den Silberdeckel des
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