Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
deshalb ging Parker von der Variante aus, dass das Beweisstück im Chalet versteckt war. Aber wo?
Er löste sich von Zoé, die ihn fragend anschaute, und betrat den Raum mit Falkenhayns Leiche. Am Ende führte eine geöffnete Tür in das nächste Zimmer, in welchem ein Teil eines ordentlich gemachten Betts zu erkennen war. Doch Parker interessierte zunächst nur der Raum, in dem Falkenhayn gestorben war. Die Wände waren mit Regalen vollgestellt, die sich unter der Last zahlloser Bücher bogen. Ein herrschaftlicher Schreibtisch aus dunkler Eiche stand unmittelbar vor dem Fenster, auf dem ein wildes Durcheinander herrschte: Papiere, Briefe, Stifte, Klammern, Patronenhülsen und ein Brieföffner mit Elefantenkopf aus Elfenbein. Es war das Arbeitszimmer des Alten. Am Rand der Tischplatte stand ein leeres Glas. Wodka, dachte Parker. Daneben eine ausgedrückte Zigarette in einem Aschenbecher aus Blei.
Rechts und links vom Schreibtisch hing eine Vielzahl von gerahmten Fotos in unterschiedlichen Größen an den Wänden. Die meisten Aufnahmen waren bereits mit einem deutlichen Gelbstich behaftet. Parker fragte sich, wo in dem Chaos er mit der Suche beginnen sollte. Er ließ den Blick über die Bilder schweifen, in der Hoffnung, dass ihm etwas Auffälliges ins Auge sprang. Auf einigen Fotos war Falkenhayn in Uniform zu sehen. Parker trat näher und prüfte die Aufnahmen genauer. Der Mann in der Uniform entsprach in etwa seiner Vorstellung vom jungen Falkenhayn, wenn auch der wirkliche Falkenhayn nicht so selbstsicher gewirkt hatte.
Das größte Bild in der privaten Sammlung hatte einen goldfarbenen Rahmen und zeigte eine Anzahl von Wehrmachtsoffizieren. Sie hatten ihre Mützen abgenommen und blickten für die Gruppenaufnahme mit dem für Soldaten typischen gelassenen Ernst in die Kamera. Alles in allem waren es vier Reihen, jede mit zehn Männern, die sich vor einem Holzhaus aufgestellt hatten. Die vorderste Reihe war offenbar den höherrangigen Offizieren vorbehalten gewesen. Sie hatten auf Holzstühlen Platz genommen, während die anderen standen. Vorne, exakt in der Mitte, saß ein schmächtiger Mann mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck und hellwachen Augen – zweifellos der Kommandeur. Parker überkam das untrügliche Gefühl, das Gesicht dieses Offiziers schon einmal gesehen zu haben. Er versuchte, sich ihn als älteren Mann vorzustellen, was ihm aber nicht gelang. Zum Zeitpunkt der Aufnahme dürfte der Kommandeur zwischen dreißig und vierzig Jahre alt gewesen sein. Das hieß, er war heute ein Greis, wenn er überhaupt noch lebte.
Parker betrachtete die übrigen Soldaten und entdeckte Falkenhayn, der rechts in der zweiten Reihe stand und stolz in die Kamera blickte. Neben ihm hatte ein ähnlich junger Offizier Haltung angenommen, und Parkers Blick blieb auf dem Gesicht dieses Mannes haften. Er hatte streng gescheiteltes schwarzes Haar, eine markante Nase – und einen fanatischen Gesichtsausdruck, der nicht zu der gefassten Ruhe der übrigen Soldaten passte. Das Feuer in den Augen wirkte faszinierend und beunruhigend zugleich. Parker war überzeugt, dass Falkenhayn nicht durch Zufall neben diesem Offizier gestanden hatte, sondern dass die beiden Männer mehr verband als nur der Dienst in der gleichen Einheit. Er hätte gerne gewusst, wer dieser Kamerad Falkenhayns war. Neugierig nahm er das Bild von der Wand und begutachtete die Rückseite, ohne einen Hinweis zu finden. Vorsichtig löste er den Rahmen und zog das Bild unter der Glasscheibe hervor – aber auch auf der Unterseite der Fotografie fand sich kein Datum oder sonstiger Vermerk. Wer waren diese vierzig Soldaten?
Er setzte das Bild wieder zusammen und hängte es zurück an die Wand. Unschlüssig betrachtete er die zahlreichen Bücher auf den Wandregalen, ohne einem bestimmten Titel besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die meisten Werke beschäftigten sich mit militärischen Dingen, einige mit der Jagd. Zwischenzeitlich warf er Zoé einen Blick zu, die weiter mit angezogenen Knien am Treppengeländer lehnte und an die Decke starrte.
„Zoé?“, sagte er leise. Sie neigte den Kopf zu ihm und presste die Lippen aufeinander. Schwach nickte sie ihm zu und schloss dann die Augen. Wie ein Mahnmal lag Falkenhayns Leiche zwischen ihnen.
Er näherte sich nochmals dem Toten. Beim Anblick des zerschossenen Schädels musste er schwer schlucken. Er biss die Zähne zusammen, trat über die Blutlache und kniete sich neben die Leiche. Falkenhayn trug unverändert
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