Der Königsschlüssel - Roman
enge Hosen und Hemden, und die Haare ganz kurz geschoren.
In den Händen hielten sie merkwürdige Waffen, mit einem Holzstiel und einem metallenen Aufsatz. Diese sahen ein bisschen aus wie Velas Hammer, aber die Enden liefen spitz zu, spitzer als jede Hacke. Cephei war sicher, dass ein kräftiger Schlag damit jeden Schädelknochen zertrümmern konnte. Die Gestalten hatten die Waffen drohend erhoben.
Cephei und Vela traten dichter aneinander und waren stumm vor Schreck. Warum hatten sie nie von den seltsamen Bewohnern dieses Bergs gehört? Die Chronisten in Marinth behaupteten doch sonst immer, sie wüssten von allem, was im Land des Königs geschah, und die Steuereintreiber wollten ebenfalls jeden Bewohner kennen. Wie konnte es dann Menschen geben,
von denen man in Marinth nie gehört hatte? Cephei hatte im Gasthof doch sogar von zahlreichen Wesen erfahren, die es noch nicht einmal gab!
Eine der Gestalten trat vor und fuhr sie mit einer seltsam vibrierenden Stimme an, die ein leises Echo an den Wänden erzeugte. »Was wollt ihr hier?«
Vela zeigte mit dem Finger nach oben. »Wir müssen in die Südliche Feste, um …« Sie unterbrach sich, immerhin wusste sie nicht, ob sie einem Diener der Hexe gegenüberstanden. Hilflos sah sie Cephei an.
»Na, wir müssen eben da hin. Handel und so.« Er räusperte sich und klopfte möglichst selbstsicher auf den Rucksack.
Nach einem kurzen Moment der Stille antwortete die Gestalt: »Du lügst, sagt mein Seher.«
Cephei sah sich nervös um. »Wir müssen mit der Herrin der Feste reden. Besser?« Dass jemand erkennen konnte, wann er log, gefiel ihm nicht, er hatte immer gedacht, dass er ganz gut darin geworden war in den letzten Jahren. Immerhin hatte er Dorado manches Mal erklären müssen, wohin das Fleisch aus der Speisekammer verschwunden war.
Wieder dauerte es eine Weile, bis die Gestalt reagierte. Sie ließ die Waffe sinken, doch ihr Blick blieb voller Misstrauen. Obwohl sie nur so groß war wie Cephei, flößte sie ihm Respekt ein. Aber das lag vielleicht auch daran, dass es so viele waren, und an den Waffen.
»Was genau wollt ihr von der Hexe? Ihr seht aus, als wärt ihr nicht von hier.«
»Einer ihrer Klippengeier hat den Königsschlüssel gestohlen, und wir wollen sie fragen, ob sie ihn uns wiedergibt«, sagte Vela schnell, und Cephei sah sie überrascht an.
Noch überraschter war er allerdings davon, dass kein Einspruch erhoben wurde. Kein Seher sagte: Du lügst! Hieß das, Vela hatte tatsächlich vor, mit der Hexe zu reden ? Bisher war eigentlich immer von Wiederbeschaffen die Rede gewesen.
»Welchen Königsschlüssel?«, fragte die Gestalt.
Vela und Cephei sahen sich an.
»Was meinst du mit welchen Königsschlüssel?«
»Was ist dieser Königsschlüssel?«
»Na, der Schlüssel, der den König aufzieht.«
»Ihr habt einen mechanischen König?«
Sie nickten.
»Ja, und wenn er nicht aufgezogen wird, kann er nicht das Land regieren«, erklärte Cephei. »Es ist auch euer König, dieses Land gehört doch noch zum Reich.«
Etwas wie ein leises Lachen war zu hören. »Hier hat er sich aber noch nie blicken lassen, und wir haben noch nie von diesem König gehört. Unter dem Berg spielt es keine Rolle, was ein weit entfernter König entscheidet. Aber wenn er euch so wichtig ist, dann baut euch doch einen neuen, wenn der alte kaputt ist.«
Der Vorschlag war ungeheuerlich, und Vela schnappte neben ihm nach Luft. »Das geht aber nicht«, sagte sie.
»Warum nicht?« »Weil keiner weiß, wie das geht. Der Mechanische König ist nicht irgendein Ding, niemand von uns hat ihn gebaut. Vor vielen Jahrhunderten kam er zu uns und regiert seitdem das Land. Und außerdem hat noch nie jemand daran gedacht, einen anderen König zu bauen.«
Die Gestalt schwieg und starrte sie stattdessen an, genau wie die anderen, die immer noch ihre Waffen auf sie richteten, als
erwarteten sie, dass Vela und Cephei jeden Moment losspringen und etwas ganz Ungeheuerliches versuchen könnten.
Da er von diesen Bergmenschen noch nie etwas gehört hatte, wusste Cephei nicht, wie man sich ihnen gegenüber am besten verhielt. Vielleicht mochten sie lange Erklärungen nicht, schließlich redeten sie selbst nicht viel.
»Ihr könnt weiter durch unseren Berg gehen, der Raumgeist, den ihr bei euch habt, wird euch ja führen. Es ist für uns nicht von Interesse, was ihr mit der Hexe zu schaffen habt, die den Berg über unseren Köpfen bewohnt. Allerdings«, die Gestalt hob die Hand, »warnen wir
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