Der Königsschlüssel - Roman
helfen. Ich brauche den Schlüssel, er ist wichtig. Ihr findet sicher einen anderen.«
»Es gibt nur diesen einen Königsschlüssel. Wir können also keinen anderen finden. Er ist etwas Besonderes.«
»Ja, ja, ich weiß, darum brauche ich ihn ja auch.« »Aber er gehört dir nicht!« Langsam wurde Vela wütend und tat auch den letzten Schritt bis zum Schreibtisch, stützte ihre Hände auf die glatte Steinplatte und spürte erst dann, wie Cephei sie am Hemd zog.
»Was sie sagen will, ist«, riss er das Wort mit einem bösen Seitenblick auf sie an sich, »wir benötigen den Schlüssel wirklich. Wenn du ihn haben möchtest, könntest du ihn ja vielleicht wieder«, er stutzte, »nun, kurzfristig borgen, wenn wir die Zeremonie beendet haben und der König für ein weiteres Jahr aufgezogen wurde.«
»Tut mir leid, aber die Zeit habe ich nicht.« Aniba stand nun auf und überragte sie um gut zwei Köpfe. Sie war schlank und groß und trug weite Hosen und ein viel zu großes Hemd, das Velas nicht unähnlich war.
»Du kannst ihn nicht behalten …«, begann Vela wieder, und dann packte sie plötzlich die Angst um ihren Vater mit aller Macht. »Es ist nicht deiner!«, schrie sie und ballte die Fäuste. »Gib ihn wieder her!«
Erstaunt blickte Aniba sie an. Vielleicht war sie verärgert, denn sie runzelte die Stirn und verschränkte erneut die Arme. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken an den Tisch.
»Du hast ihn gestohlen, und wenn wir den Schlüssel nicht mitbringen, wird mein Vater hingerichtet. Deinetwegen! Ich will jetzt den Schlüssel! Ich bin doch nicht bis hierher gekommen, um mich dann von dir zurückschicken zu lassen!« Vela konnte nicht weiterreden, denn mit jedem Wort war sie schneller und lauter geworden, und nun bekam sie keine Luft mehr. Sie verschluckte sich und hustete.
Cephei klopfte ihr auf den Rücken, was es jedoch nur schlimmer machte.
Aniba blieb vollkommen unbeeindruckt. »Ich mag es auch nicht, wenn Kinder so laut werden. Deshalb gibt es hier so wenige.« Sie klatschte in die Hände. »Du kannst den Schlüssel nicht haben, und wenn du nicht willst, dass ich verärgert bin und dann vielleicht etwas tue, das dir nicht gefällt, solltet ihr lieber gehen.«
Vela zitterte vor Wut. Sie würde hier nicht weggehen, bevor sie nicht den Schlüssel hatte. Sie hatte es satt, dass ihr die Leute immer sagten, was sie zu tun und zu lassen hatte. Erst ihre Eltern, dann der Kanzler und die Palastwache, und jetzt auch noch die Hexen! Schluss damit.
Aniba tippte sich mit dem Finger gegen die Lippen und sah Vela lange an, bevor sie sagte: »Auf der anderen Seite habe ich heute einen guten Tag, und man soll Gäste ja nicht unbewirtet
lassen. Schon gar nicht welche, die sich bereits mit unserer Zunft verbündet haben, nicht wahr?«
Vela wandte den Blick ab.
»Vor mir kannst du dein Hexenmal nicht einfach mit einem Hemd verdecken. Ich kann es spüren, wie alle Hexen.«
Neben sich hörte Vela Cephei nach Luft schnappen.
»Oh, hat das dein kleiner Freund noch nicht gewusst? Wie überaus delikat.« Aniba schien sich sehr zu amüsieren. »Ja, ja, so ein Geschäft geht nicht spurlos an einem vorbei. Wissen hat immer seinen Preis.«
Cephei blickte Vela unruhig an, und genau dieser Blick war es, den sie befürchtet hatte. Sie besaß nun ein Geheimnis, vor dem sich die Menschen fürchteten - genau wie vor den Hexen. Doch ungeschehen konnte sie es nicht mehr machen, und wenn dieses Geheimnis nun schon auf ihr lag, konnte sie es dann nicht noch einmal nutzen? Sie atmete tief durch.
»Was, wenn...«, begann sie. »Was, wenn wir dir etwas geben? Im Austausch für den Schlüssel?«
»Bist du verrückt?«, rief Cephei, aber sie machte nur »Schsch!« in seine Richtung.
»Bist du dir auch sicher, was du da vorschlägst?« Nachdenklich betrachtete Aniba sie.
Nein, war sie nicht. Aber welche Wahl hatte sie? »Nun, vielleicht willst du dir ja erst einmal ansehen, was du so dringend von mir verlangst. Möchtest du nicht zuerst den Königsschlüssel sehen? Seid ihr nicht deshalb hier?«
»Nicht zum Ansehen, zum Mitnehmen«, sagte Cephei, und Vela musste fast lachen.
»Dann kommt, ich zeige ihn euch.«
Doch Vela und Cephei zögerten, der Hexe zu folgen.
»Nun kommt, ich fresse euch schon nicht.«
Und wieder bewegten sich ihre Füße von selbst, und sie folgten Aniba aus dem Saal, obwohl Vela sicher war, dass Cephei genau wie sie seinen Füßen nie befohlen hatte loszulaufen. Es schien Aniba weder Mühe zu kosten, ihre
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