Der Königsschlüssel - Roman
die Schlacht ziehen, oder? Ich hab meinen Dolch, du deinen Hammer, und die Hexe ihre Klippengeier und Zauberkräfte. Das wäre eine kurze Schlacht. Geierfutter wären wir.«
Betreten zwinkerte Vela. »Vielleicht sollten wir erst einmal versuchen, den Schlüssel zu finden. In der Burg, meine ich.«
»Du meinst, ihn zu stehlen.«
»Äh … nun ja. Das ist ja kein richtiges Stehlen, schließlich gehört der Schlüssel ihr nicht. Das ist sozusagen ein Wiederbeschaffen.«
Cephei nickte und bemühte sich um ein Grinsen. »Tja, dann
ist es wohl wie immer. Wir gehen los und schauen, wie weit wir kommen.«
Neben ihm seufzte Vela, dann stießen sie sich von der Wand ab und huschten bis zur offenen Tür.Nach einem kurzen Blick durch den Spalt schlüpften sie in das Zwielicht der Burg. Hinein in einen breiten Flur, an dessen Wänden brennende Fackeln hingen, die unruhige Schatten auf große Wandbilder warfen.
Die Bilder zeigten Landschaften, die Cephei nicht kannte, und auch merkwürdige Häuser, riesig und viereckig. Außerdem Türme wie der, auf den er in Sanjorkh geklettert war. Seltsame Tiere waren zu sehen, und am Rand der Bilder rankten sich die gleichen Symbole wie auf dem Hexenstein im Rauschwald. Sie hatten ganz zweifellos das Heim einer Hexe betreten …
Vorsichtig wagten sie sich vorwärts, jeden Moment erwarteten sie, dass sie entdeckt wurden. Auf dem glänzenden schwarz-weiß gekachelten Fußboden hinterließen sie staubige Fußabdrücke, und Cephei versuchte kurz, mit der Fußspitze darüberzureiben, um ihre Spuren zu verwischen. Aber alles, was er erreichte, war, dass sich der Fleck vergrößerte.
»Was machst du denn da?«, flüsterte Vela ungeduldig von vorne.
»Gar nichts.« Schnell schloss er zu ihr auf.
Am Ende des Flurs stand eine leere, eingebeulte Ritterrüstung. Cephei fand es merkwürdig, dass jemand eine leere Rüstung in einen Flur stellte, aber was war an diesem Ort nicht merkwürdig?
Als sie bei der Rüstung ankamen, lugten sie vorsichtig um die Ecke, aber auch in dem Flur, der nun vor ihnen lag, war niemand zu sehen.
»Das ist doch seltsam. Glaubst du immer noch, die sind beim Essen?«
Er schüttelte den Kopf. »Wonach suchen wir eigentlich?«
Vela sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
Er wurde ein bisschen rot. »Ich meine, wo glaubst du, ist der Schlüssel? Suchen wir den Keller, ein Geheimfach? Was?«
Betreten starrte sie in den Flur, an dessen Ende sich eine geschlossene Tür befand, und kaute auf der Unterlippe herum.
»Vielleicht«, fuhr er flüsternd fort, »hat der Klippengeier den Schlüssel ja auch draußen irgendwo fallen gelassen.«
»Aber Serpem hat doch gesagt, dass der Vogel der Herrin der Südlichen Feste gehört. Wahrscheinlich hat er ihn bei ihr abgeliefert.«
»Wir suchen also in der ganzen Burg?«
Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern, und Cephei seufzte. Sie waren eben keine Ritter - woher sollten sie wissen, wo eine Hexe ihre Schlüssel aufbewahrte und wie man in einem solchen Abenteuer richtig vorging? Vielleicht gab es dafür auch Regeln, so wie bei den Duellen. Urs hatte zwar nie etwas erwähnt, aber da er selbst kein richtiger Ritter war, konnte es ja auch sein, dass er es gar nicht wusste. Sie schlichen weiter bis zu der Tür am Ende des Gangs und legten dort die Ohren an die Verkleidung. Nichts war zu hören, also drückte Vela langsam und vorsichtig die Klinke nach unten. Lautlos öffnete sich die Tür einen Spalt breit und gab den Blick frei auf das, was dahinter lag.
»Das gibt’s ja nicht!« Cephei vergaß für einen Moment sogar zu flüstern.
Ein Saal von enormer Größe tat sich vor ihnen auf, und er war vollkommen grün. Seine Wände bestanden aus schimmerndem dunkelgrünem Stein, und von der Decke hingen durchsichtige wiesengrüne Stoffbahnen herab, die den Saal unterteilten. Ein Lufthauch bewegte den Stoff sanft hin und her.
Von den Fenstern im oberen Rundgang fiel Sonnenlicht auf den Fußboden, der aus unzähligen polierten Silberplatten bestand, die die Decke, die Wände und das Grün der Stoffbahnen widerspiegelten. Selbst die Luft schien ein wenig grün zu sein.
Einen Moment lang waren sie beide ganz in den Anblick des Saals versunken, dann sagte Vela leise: »So was hab ich noch nie gesehen. Das ist besser als die Wasserpumpen.«
Die Wasserpumpen in Marinth hatten ihn zwar nie interessiert, aber auch er fand den Saal beeindruckend.
Sie zwängten sich durch den Spalt, ohne die Tür weiter zu öffnen, und gingen
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