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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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blickte der Bär den Mann an. »Bei einem Turnier will man kämpfen, oder nicht? Ich will das Turnier gewinnen und den geraubten Schlüssel zurückholen.«
    »Nicht ohne Adelstitel.«
    »Aber ich fechte gut …«
    »Nicht ohne Titel, habe ich gesagt«, fuhr der graue Mann entrüstet auf. »So lautet die Regel. Und jetzt bitte ich Sie, Platz zu machen, dort hinten sehe ich schon den Knappen von Herrn Dober gerannt kommen.«
    Traurig und mit hängenden Schultern trat der Bär zur Seite.
    »Nicht mal einen Knappen hat er«, murmelte der Anmeldemann noch, dann setzte er ein Lächeln für den forsch heranschreitenden Ritter auf.
    Cephei beobachtete, wie sich der Bär langsam umsah. Um ihn her eilten die ersten Menschen zum Eingang der Arena, einige auch in die andere Richtung, vermutlich würden sie in spätestens einer Stunde zurückkehren. Niemand wollte das Turnier versäumen. Zwischen all den hektischen, plappernden und aufgeregten Menschen stand der Bär am Straßenrand und wirkte verloren. Dann entdeckte er Cephei und schlurfte zu ihm herüber.

    »Ist der Stein neben dir noch frei?«, fragte er, und Cephei nickte.
    Der Bär setzte sich und kramte eine kleine geschwungene Pfeife mit einem fein geschnitzten Kopf hervor. Langsam begann er, auf ihr herumzukauen.
    Verwirrt starrte ihn Cephei an. Er hatte schon ewig keinen der sprechenden Bären mehr gesehen, ihre Art war nicht mehr weit verbreitet. Vor ein paar Jahrhunderten hatten sie noch ganze Landstriche bevölkert, vor allem im fernen Osten, hieß es, aber jetzt sah man nur hin und wieder einen in der Stadt, wenn er auf Wanderschaft war. Viele verdingten sich als Kämpfer oder als Pelzhändler, wenn sie in den Wäldern lebten. Manche waren auch im Dienst eines Edelsteinhändlers unterwegs, weil die Händler wussten, dass sie dank ihrer Größe und Kraft so leicht nicht überfallen wurden. Auf jeden Fall waren sie beeindruckende Erscheinungen, und Cephei freute sich, dass er endlich mal wieder einen von ihnen sah.
    »Brauchen Sie kein Feuer, Herr Urs?«
    »Nur Urs«, brummte der Bär. »Nenn mich Urs. Du hast doch gehört, dass ich keinen Titel habe. Und wenn ich kein Ritter bin, musst du mich auch nicht mit Herr anreden.« Grimmig blickte er zum Anmeldehäuschen hinüber, dann sah er Cephei an und lächelte. »Aber danke. Und nein, ich brauche kein Feuer. Tabak schmeckt mir nicht, also kau ich einfach so auf der Pfeife herum. Das beruhigt auch.«
    »Aha.«
    »Ja. Außerdem ist die Pfeife wunderschön. Schau sie dir an, ist ein Geschenk von einem Ritter, dem ich vor Jahren im Wald begegnet bin, Herrn Gladier. Und Herr Gladier hat mit mir getrunken und geredet wie mit einem Gleichgestellten, jawohl.«
Urs sandte weitere böse Blicke zum Anmeldehäuschen hinüber, das inzwischen vom nächsten Ritter passiert wurde, einem dünnen Mann mit einem gelb-roten Wappen, in dessen Mitte ein kleiner Bierkrug prangte. Er schwankte, als trüge er die schwere Last selbst, die sein Knappe auf einem Wägelchen hinter sich herzog, und Urs’ Züge entspannten sich bei diesem Anblick.
    Cephei bewunderte derweil die Pfeife und schnupperte an ihr. Sie roch nach Wald, Honig und Harz. »Das riecht gut, viel frischer als im Wirtshaus.«
    »Na, das hoffe ich. Und wie heißt du?«
    »Cephei.«
    »Schade, dass ich kein Ritter bin, sonst hätte ich dich als Knappen eingestellt.«
    »Ehrlich?«
    »Klar. Hauptsache, dir ist der Wald lieber als ein dunkles Wirtshaus. Das ist Veranlagung, alles andere lernst du mit der Zeit.«
    »Aber du bist kein Ritter.«
    »Nein, ich bin kein Ritter.«
    Sie saßen auf den Steinen in der Sonne nebeneinander und seufzten, während sie zur großen Arena hinüberblickten und von gemeinsamen Heldentaten träumten.
    »Und, gehst du nachher noch mit Freunden zum Turnier?«, fragte Urs nach einer Weile.
    »Nicht mit Freunden.«
    »Dann mit der Familie?«
    »Nein. Der Wirt weiß gar nicht, dass ich hier bin.« Er sah Urs erschrocken an. »Du wirst mich nicht verraten, oder?«
    »Aber nein, mein Pflegevater wusste auch nicht immer, wo ich war. Und ein solches Turnier hätte ich mir in deinem Alter nie entgehen lassen.«

    Cephei war erleichtert. Urs schien ein netter Bär zu sein.
    »Wie wär’s, Junge, gehen wir gemeinsam?«
    »Von mir aus, aber ich muss vorher noch mal ins Gebüsch.«
    Cephei schlug sich hinter die dichten Sträucher, die den Park neben der Arena umsäumten. Dort sah er schnell in die Tasche des Herrn Baldran und fand auch ein paar Münzen. Damit

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