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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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konnte er sich tatsächlich den Eintritt leisten, er musste nicht über das lose Gitter bei den Raubtierkäfigen der Arena einsteigen und hoffen, dass diese noch immer leer und ungenutzt waren.
    Fünf Kupferstücke und einen silbernen Taler steckte er sich in die Hosentasche, dann trat er wieder auf die Straße.
    »Du siehst erleichtert aus«, scherzte Urs, dessen Zorn auf die Turnierregeln sich inzwischen gelegt zu haben schien.
    Während sie die Arena zum Haupteingang hin umrundeten und den Menschen über das riesige Gelände folgten, erzählte Urs Anekdoten von seinen Reisen. »Kennst du eigentlich die Geschichte von Herrn Midor? Er war der reichste Ritter eines fernen, reichen Landes, und er ist in seinem eigenen Palast gestorben. Dieser weithin berühmte Palast war gewaltig, viel grö ßer, als du ihn dir vorstellen kannst, viel, viel größer. Und eines Tages entfernte sich Herr Midor so weit von seiner Speisekammer und verlief sich dabei in einem fernen Gebäudeflügel, dass er auf dem Rückweg verhungert ist, bevor er seine eigentlich unermesslichen Vorräte erreichen konnte.«
    »Das gibt es doch nicht«, protestierte Cephei zweifelnd.
    »Doch, wirklich wahr«, beteuerte der große Bär und legte ihm die Pranke auf die Schulter. »Aber es gibt einen Ritter, der ist noch unglücklicher ums Leben gekommen. Sein Name war Herr Gernoth, und er lebte weit im Westen …«

DAS GROSSE TURNIER
    Die Stimmung in der Arena war nicht ganz so ausgelassen wie in den letzten Jahren. Der Angriff des riesigen Vogels war den Menschen noch zu frisch im Gedächtnis. Ein Bäckermeister, der unter dem Balkon gestanden hatte und auf den ein Höfling niedergestürzt war, war inzwischen seinen Verletzungen erlegen, und niemand wusste, wie es um den König stand. Aber da das Turnier nicht abgesagt worden war, würden die Feierlichkeiten weitergehen, und das wurde als Zeichen gewertet, dass es doch nicht so schlimm stand.
    Einen so guten Platz hatte Cephei noch nie gehabt: Er konnte sogar die einzelnen Leute in der Königsloge erkennen, wenn er die Augen zusammenkniff. Der König war dort nicht zu sehen, aber es standen trotzdem mehr Palastwachen herum, als er erwartet hätte. Und auch auf der Arena, oben auf dem flachen Rundgang über der letzten Sitzreihe, patrouillierten mehrere Männer und Frauen, die immer wieder achtsam den Himmel beobachteten.
    Würde dieser unheimliche Riesenvogel wiederkehren? Cephei hoffte es nicht. Zumindest waren hier unzählige Ritter, der Vogel hätte keine Chance, beruhigte er sich. Und Urs neben ihm konnte sicher auch kämpfen.
    »Meinst du, der Vogel kommt wieder?«, fragte er.
    »Ich glaube nicht. Ich habe nicht viel gesehen bei der Zeremonie, aber ich dachte, er hat sich zielstrebig den Schlüssel gegriffen. Und damit hatte er sich das geholt, was er wollte, warum sollte er also wiederkommen?«

    »Das stimmt. Weißt du, was das für ein Vogel war?«
    »Könnte ein Klippengeier gewesen sein oder eine Nachtschwinge, aber ich dachte immer, die wären kleiner.«
    Cephei überlegte, ob er Urs sagen sollte, dass er kurz vor dem Angriff einen kalten Hauch gespürt hatte, aber dann ließ er es doch. Urs hätte ihn bestimmt für einen Feigling gehalten oder für einen Jungen, der sich zu viel einbildete. Dorado schimpfte ihn schon immer einen unmöglichen Phantasten mit viel zu blühender Phantasie, einen Träumer, der es nie zu etwas bringen würde.
    »Hey, schau mal, der Akrobat!«, sagte Urs in diesem Moment und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Arena hinab.
    Eine menschliche Gestalt in einem orangenen Drachenkostüm lief dort auf den Händen im Kreis und jonglierte mit den Füßen drei bunte Bälle. »Den kenne ich. Er hat feuerfeste Schuhe, und wenn es Nacht wird, zündet er die Bälle noch an, so dass sie im Dunkeln leuchten.«
    Cephei war beeindruckt und auf den Abend gespannt, aber das war noch lange hin. Jetzt beobachtete er erst einmal die hereindrängenden Zuschauer. Aus allen Vierteln waren sie gekommen, ein Maurer, der noch roten Steinstaub im Haar hatte, weil er bis eben gearbeitet hatte, begegnete der Mutter eines angesehenen Ritters, die von zwei Leibwächtern flankiert wurde.
    »Ich habe euch doch gesagt, wir müssen den anderen Eingang nehmen«, keifte sie ihre rotgesichtigen Beschützer an, die ihr einen Weg in Richtung Königsloge bahnten, während der Maurer höflich zur Seite trat und sich leicht verbeugte. Sie beachtete ihn jedoch nicht, und auch nicht den Staub, der von seinem Kopf

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