Der Königsschlüssel - Roman
die wenigen Herbergen, die noch freie Plätze hatten, wollten dem Bären keine Unterkunft geben. Zu gefährlich sah er ihnen aus, zu klein nannten sie ihre Betten, zu wenig Geld steckte nach dem üppigen Abendmahl noch in seiner Börse. Deshalb hatte ihn Cephei zur Scheune geführt, wo er die Nächte über bleiben konnte; außer ein paar Kindern kam hier ohnehin niemand her.
»Hast du eigentlich den Aufbruch der Ritter gesehen? Ich scheine die Sache verpasst zu haben«, sagte Urs plötzlich, und Cephei schüttelte den Kopf.
»Weit sind die nicht gekommen, seit gestern hocken sie bei Dorado in der Gaststube und haben sich für einen weiteren Monat eingekauft.«
»Aber müssen sie denn nicht weiter?«
»Dachte ich auch.« Cephei schmierte sich nun auch ein Brot, weil er wie immer noch nicht zu Mittag gegessen hatte. »Irgendwie benehmen die sich ganz anders, als ich es mir immer vorgestellt habe. Ich muss wohl noch mal Equu fragen, wie das bei seinem Ritter so ist. Sag mal, was machst du denn jetzt, nachdem du nicht am Turnier teilnehmen durftest? Gehst du zurück?«
Urs wischte sich die Pranken ab. »Weiß noch nicht, eigentlich
hab ich keine Lust, gleich wieder umzukehren, ist ja nicht so, dass auf mich irgendwer warten würde. Und das Geld ist auch knapp. Wahrscheinlich muss ich mich als Söldner verdingen, irgendwo wird es schon was zu kämpfen geben. Gegen die Piraten an der Küste vielleicht, die Händler dort sind immer froh, wenn ihnen jemand hilft.«
Cephei hob die Hände. »Aber als Söldner zu kämpfen, für jeden, der zahlt, das ist doch gar nicht ritterlich. Willst du denn kein Ritter mehr werden?«
Der Bär erhob sich und gürtete sich sein Schwert um. »Mag sein, Junge, aber auch ich muss von irgendetwas leben, von Ehre allein werde ich nicht satt.«
Bedrückt sah Cephei zu, wie Urs seine Stiefel anzog. In den letzten Tagen lief irgendwie überhaupt nichts mehr so, wie er es sich vorgestellt hatte. Dem König, den er für allmächtig gehalten hatte, wurde der Schlüssel geklaut, die Ritter betranken sich lieber, als zu einem Abenteuer zur Rettung des Landes aufzubrechen, und nun musste sich auch noch der Einzige, der sich wirklich ritterlich benahm, im Kampf gegen die Piraten an der Küste verdingen. Dass solche Dinge passieren konnten, davon hatte ihm Equu nichts erzählt.
»Ich geh mich in der Stadt mal umhören, vielleicht hat jemand einen Auftrag zu vergeben. Ich bin am Abend wieder zurück, kommst du dann noch mal vorbei?«, fragte Urs, während er schon den Holzstapel hinunterkletterte.
»Ich versuche es, mal sehen, wie lange die Ritter heute noch machen«, antwortete Cephei und folgte Urs, wobei er die letzten drei Fuß einfach sprang. Das war keine gute Idee gewesen; sein rechtes Bein, das immer noch blau von Dorados Schlägen war, schmerzte sofort wieder. Cephei biss die Zähne zusammen
und folgte Urs hinaus ins helle Tageslicht. Vor dem Weberhaus trennten sie sich, und Cephei machte sich auf den Weg zurück zum Gasthaus.
Schon von weitem konnte er Vela erkennen, die an einem der Fenster stand und hineinspähte. Als sie Schritte hinter sich hörte, drehte sie sich um und richtete den Blick finster auf Cephei, aber als sie ihn erkannte, wurde ihre Miene freundlicher.
»Hallo«, sagte sie, und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
»Hallo«, antwortete er, und dann standen sie sich einen Moment lang schweigend gegenüber, während Vela ihn von oben bis unten musterte, was ihm nicht besonders gefiel. Ihr Blick schien überprüfen zu wollen, ob er vollständig war, so kam es ihm jedenfalls vor - als ob irgendetwas fehlen könnte.
»Was ist denn?«, knurrte er, und sie zuckte zusammen.
»Nichts, ich wollte nur …« Sie winkte ab. »Nicht so wichtig. Wo sind denn die Ritter, ich kann sie nirgends entdecken.«
»Ausgeritten. Zum Fluss. Monster jagen.«
»Es gibt keine Monster am Fluss«, erwiderte sie überrascht und runzelte die Stirn, fast genauso wie Urs eben. »Die königliche Wache läuft auch dort Patrouille.«
»Angeblich gibt es Gerüchte darüber. Sie sind hingeritten, um das zu prüfen. Einen Picknickkorb haben sie auch mitgenommen.«
»Wollen sie damit vielleicht die Monster anlocken?« Wütend blitzte sie Cephei an. »Es ist wirklich nicht zu fassen! Wenn der König wüsste, wie sich seine Ritter hier verhalten, würde er ihnen befehlen, endlich die Reise anzutreten.«
»Aber das ist ja wohl das Problem. Dass er das nicht befehlen kann. Ohne Schlüssel.« Er
Weitere Kostenlose Bücher