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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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zog ihnen einfach die Decken weg und setzte sie so der morgendlichen Kälte aus. Für einen Elfen besaß er wirklich ein ausgesprochen unfreundliches Wesen. Dabei sang er: »O jauchzet, frohlocket, der Tag ist daaaha...«, was ein bisschen so klang, als wäre man einer Katze auf den Schwanz getreten.
    Vela fühlte sich völlig zerschlagen, weil sie so schlecht geschlafen hatte. Zu allem Überfluss saßen Urs und Cephei mit offenen Mündern auf ihren Lagern und starrten sie an.
    »Was ist denn mit deinem Haar passiert?«, brachte Cephei schließlich heraus.
    Unsicher griff sich Vela wieder in den Nacken. »Ich hab’s abgeschnitten.«
    »In der Nacht?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Warum denn nur?«
    »Darum eben.« Schnell stand sie auf, um sich in die Küche zu verdrücken. Sollten die beiden doch denken, was sie wollten, sie würde sicher nicht erzählen, was gestern Nacht passiert war. Zumindest nicht vor dem Frühstück.
    Als sie in die Küche kam, stand Serpem schon wieder am Herd und kochte. Vom Hasen war keine Spur mehr zu sehen, und erneut standen Teller und Essen bereit. Die Nacht war aus Serpems Gesicht und ihrer Küche verschwunden.
    Urs und Cephei stolperten gähnend in die Küche, warfen Vela fragende Blicke zu und steckten dann die Köpfe zusammen, um
zu flüstern. Vela sah nur, wie Cephei den Finger hob und sich an die Schläfe tippte, während er einen Blick auf sie warf. Offenbar dachten sie, sie hätte in der Nacht mal eben den Verstand verloren, weil sie sich die Haare abgeschnitten hatte.
    Doch kurz darauf hatten sie Vela schon wieder vergessen und verfolgten erneut jede Bewegung der Hexe, deren Haar in der Sonne glänzte und die gut gelaunt fragte: »Wie waren eure Träume?«
    Missmutig setzte sich Vela an den Tisch, aß lustlos von dem süßen Getreidebrei und brach sich beiläufig und ohne Appetit ein Stück Fladen ab. Die beiden anderen schienen dagegen bester Laune zu sein, lachend schlangen sie das Essen herunter und scherzten mit vollem Mund mit Serpem und Morvan, der kaum darauf einging und stattdessen Vela beobachtete. Es schien, als hätten Urs und Cephei vollkommen vergessen, warum sie eigentlich unterwegs waren. Dabei waren sie doch gestern ebenfalls hier gewesen, als Serpem erzählt hatte, der Klippengeier gehöre jemandem. Aber sie fragten mit keinem Wort danach. Nach dem Frühstück packten Urs und Cephei ihre Sachen, während Serpem Vela in der Küche zurückhielt. Sie ging zu einem Schrank aus Eichenholz und öffnete ihn. Darin lagen mehrere Kisten, Kästchen und Schatullen, eckige und runde, flache und hohe, manche mit Schlössern, andere waren mit Bändern aus schwarzem Leder oder Silberfäden verschnürt.
    Die Hexe griff nach einer blauen Kiste, hob den Deckel, und auf getrocknetem Gras lagen zwei Gestalten, nicht größer als Velas Hand und so schmal wie Tannenzweige. Trotzdem sahen sie einigermaßen menschlich aus. Es war aber nicht zu erkennen, ob sie männlich oder weiblich waren, ihre Körper wirkten irgendwie flüssig, die Oberfläche bewegte sich, als würden sich
Muster verändern. Eine Gestalt war gelb und rot, und die Farben verliefen wie Feuerzungen. Das Muster erinnerte Vela an das große Schmiedefeuer. Die andere besaß einen weißblauen Farbton, der sich in Strudeln über die Oberfläche bewegte.
    Die Wesen hoben die Köpfe und drehten sich zu Serpem, wütend schüttelten sie ihre kleinen Fäuste, und die sich windenden Farbmuster in ihren Gesichtern, dort, wo der Mund hätte sein müssen, pulsierten wie in lautlosen Schreien.
    »Das sind Raumgeister. Sie stehen unter einem Zauber, so dass sie sichtbar sind. Du findest Raumgeister überall, sie sind Teil der Landschaft, die uns umgibt. Dieser eine da«, sie deutete auf den roten, »gehört ins Land der Südlichen Feste, wo es so heiß werden kann wie am Rand eines großen Lagerfeuers. Der andere, der blaue, gehört in die Hütte eines Trolls inmitten der Froststeppe des Nordens. Sie wollen beide nichts anderes, als in ihre Heimat zurückzukehren, an den Ort, mit dem sie verbunden sind, und kein Zauber kann sie in die Irre führen. Wenn du sie herauslässt, werden sie euch den Weg zeigen. Zuerst in die eine Richtung, und dann den Weg nach Hause. Vorausgesetzt, ihr kommt wieder nach Hause.«
    »Danke«, sagte Vela, als sie nach der Kiste mit den Geistern griff. Das Hexenmal begann erneut zu glühen, aber auch dieses Mal hörte der Schmerz gleich wieder auf. Sie konnte der Hexe nicht in die Augen sehen. Deshalb

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