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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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lassen?«
    »Unsinn. Ich sage nur, dass wir mit dem Wasser sparsam sein müssen. In dem Fluss hier können wir sie ja schlecht nachfüllen, oder?«
    »Bla, bla, bla … Wir finden schon wieder Wasser! Du bist nicht meine Aufpasserin. Wenn du dich weiter so aufführst, wirst du noch ganz schrumplig vor Ärger. Genau wie das alte Fräulein, das in der Turmgasse wohnt, über dem Schneider. Den ganzen Tag hockt sie am Fenster und beschimpft die Leute. Sie würden zu laut reden, die Karren würden zu laut rumpeln, die Schweine zu viel Dreck machen, und überhaupt ist alles ganz furchtbar. Dabei ist das einzige Furchtbare in der Turmgasse das alte Fräulein. Also hör auf so rumzukeifen wie sie!«
    Empört schnappte Vela nach Luft. »Das sagst du? Ausgerechnet du? Du kleiner Möchtegernritter! Traumritter! Aber das kannst du vergessen. Aus dir wird nie ein Ritter! Nie!«
    »Schrumpelfräulein!« Wütend ballte Cephei die Fäuste und rannte ein Stück voraus. Es war einfach nicht ritterlich, mit einem Mädchen zu streiten, egal wie dämlich sie sich aufführte.
    Er sah sich nicht nach ihr um, hörte nur ihre Schritte über die Kieselsteine am Flussufer schaben. Der Fluss beruhigte sich an dieser Stelle ein wenig, wurde flacher und führte viele Räder
und Ketten, kleine, große, kniehoch, mannslang. In der Nähe des Flusses konnte man sich ohnehin nicht richtig unterhalten, weil er so laut war, was machte es also für einen Unterschied, ob Cephei neben Vela ging oder vorneweg?
    Er hatte eigentlich gedacht, sie hätte diese Art, ihn so von oben herab zu behandeln abgelegt, aber es sah nicht so aus, und er ärgerte sich darüber. Sie konnte doch froh sein, dass er überhaupt noch bei ihr war - da konnte man ja wohl ein kleines bisschen Dankbarkeit erwarten! Und ein, zwei Schluck Wasser, wenn man durstig war.
    Mit immer noch geballten Fäusten stapfte er weiter geradeaus und suchte am Horizont nach einer Möglichkeit, den Fluss zu überqueren. Vielleicht wurde er ja irgendwann schmaler, so dass sie durch das Flussbett waten konnten. Doch so weit das Auge reichte, gab es nur den Kiesstrand unter seinen Füßen, die Felsenlandschaft und den Schrottfluss, der sich seinen Weg hindurchbahnte.
    Als er gerade die Augen zusammenkniff, um deutlicher zu sehen, ob da in der Ferne nun eine Wolke oder ein Hindernis war, gab der Boden plötzlich unter ihm nach, und Cephei fiel. Wie eine Fackel in den Brunnen fiel, zog es auch ihn nach unten, die Luft ließ seine Haare hochwehen, und der Schrei aus seiner Kehle folgte ihnen. Noch nie hatte er so laut geschrien.
    Cephei hatte keine Zeit mehr, irgendetwas zu denken, außer: Sein Leben und sein erstes Abenteuer endeten, nur weil er ein Loch im Boden übersehen hatte! Dann verlor er das Bewusstsein.

MECHANISCHES GESCHICK UND WÜRFELGLÜCK
    Im einen Moment war er noch da gewesen, und dann war er plötzlich verschwunden.
    Erschrocken blieb Vela stehen. Zwei Lidschläge benötigte sie, um sich wieder in Bewegung zu setzen, dann rannte sie los und erkannte schnell den Grund für sein plötzliches Verschwinden.
    Ein Loch im Boden.
    Das Loch hatte einen Durchmesser von guten fünfzehn Schritt. Am Rand angekommen, ließ Vela den Rucksack fallen und kniete sich hin, um vorsichtig über den Rand zu spähen. Ihr Herz raste, und sie spürte ein merkwürdiges Zittern in Händen und Knien. Sie war zwar wütend auf Cephei gewesen, aber doch nicht so, dass sie sich wünschte, dass er in einen Abgrund stürzte! Was, wenn er … Aber sie musste hineinsehen, denn wenn er nicht tief gestürzt war, dann lag er vielleicht mit gebrochenem Bein auf einem Vorsprung und brauchte Hilfe.
    Langsam beugte sie sich über den Rand, der Blick glitt an den Felsen entlang und nach unten. Raue Klippen, die steil nach unten führten, glatt war die Oberfläche, wie Schieferstein. Es ging tief nach unten, vielleicht den doppelten Durchmesser. Wie in jedem Abgrund war es dämmrig, weil das Licht nur schwer hinabkam, und in diesem Zwielicht bewegte sich ein Schatten.
    Als Velas Blick den Boden erreichte, traf er auf schmale, spiegelnde Augen, die ihre festhielten. Es war ihr, als sähe sie in diesen Spiegeln die Jahreszeiten wechseln, den Frühling mit seiner Blüte, die Früchte des Sommers, die Farben des Herbstes und das
Weiß des Winters, sie sah das Meer und die Wüste, erkannte eine Steppe, in der Häuser entstanden und wieder verfielen, Kinder und den Tod ganzer Herden. Sie sah das Werden und Vergehen von Zeitaltern.
    Ihre

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