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Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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habe?«
    »Es ist nicht ganz unmöglich«, mildert Rhett ab. »Der Arzt hat damals gesagt, es wäre kein Sechser im Lotto, von der Wahrscheinlichkeit her, aber ein Fünfer mit Zusatzzahl.«
    Rhetts Blick pendelt zwischen den Kohlrabi und Sonnie hin und her. Nach den Kohlrabi hat er sich zwei Stunden die Hacken abgelaufen.
    »Und überhaupt? Was soll das sein? Ein Verhör?«
    »Genau, ein Verhör. Und zwar ein längst überfälliges Verhör.«
    »Aber das passt gar nicht zu dir, Sonnie. Eine Frau wie du …«
    »Schnauze! Was ist mit dem Foto von deinen Eltern?«
    Sie hat Schnauze gesagt, denkt Rhett. Sie hat noch nie zu mir Schnauze gesagt. Sie hat früher immer diese weiten schwingenden Kleider getragen, knapp überm Knie, und Unterwäsche von Victoria’s Secret, und manchmal sogar halterlose Strümpfe, und immer Pumps. Und jetzt trägt sie Hosen und Männerhemden und fleischfarbene Schlüpfer und flache Schuhe und rasiert sich die Beine nicht mehr und leiht sich meinen Trenchcoat und verhört mich und beschimpft mich und sagt Schnauze .
    »Hörst du mir zu?«
    Sonnie läuft zu Rhetts Schreibtisch, greift nach dem Foto, wirft es ihm vor die Füße. Das Glas zerbricht in Form eines Spinnennetzes.
    I was acting like another woman, yet I was more myself than ever before.
    »Es ist eine Fälschung Ich hab ein ganzes Schaufenster voll gesehen davon.«
    »Was wühlst du auch in meinem Schreibtisch herum?«
    »Ich? Gewühlt? In deinem heiligen Schreibtisch? Du hast mich gebeten, nach deinem Filofax zu suchen.«
    »Sonnie, ich …«
    »Du bist ein Scheißkerl, ein Windhund, ein verlogener alter Windhund.«
    »Du hast dauernd gefragt. Ich dachte, ich schulde dir Eltern. Da habe ich das Foto gesehen …«
    Sonnie läuft ziellos hin und her. Sie schnaubt wie ein Pferd. Schnaubend zieht sie ihre Bahnen. Dann hört sie auf zu schnauben. Dann läuft sie stumm weiter hin undher. Nun ist nur noch das Auftreffen ihrer Fußsohlen auf dem Parkett zu hören. Kein Rachmaninoff mehr. Rhett folgt ihr mit den Augen.
    »Und von Gong?«, ruft sie schließlich. »Warum hast du mir nicht erzählt, dass du Gong gerettet hast?«
    »Er hatte einen Herzinfarkt. Ich war zufällig da.«
    »Und das EAST-VILLAGE-Shirt?«
    »Hab ich nachts auf der Straße gekauft. Gong hatte mein Hemd voll gespuckt. Sonnie, was ist nur los mit dir? Ich bin es, der dir Fragen stellen sollte. Warum hast du einen Gipsarm? Wo warst du gestern Nacht? Wo willst du jetzt hin? Warum bist du so sauer?«
    »Warum trinkst du nie?«
    »Ich bin trockener Alkoholiker, deshalb.«
    »Warum hast du mir das nie gesagt?«
    »Sonnie, wir sind hier in New York. New York ist die Hauptstadt der trockenen Alkoholiker. Ich hab dir gesagt, ich trinke nicht. Das reicht doch.«
    »Was heißt: Das reicht doch? Wer entscheidet, was reicht? Informationen über dich gibt es nur auf Rabattmarken, hä? Ab sofort ist Schluss mit der Geheimniskrämerei. Hörst du? Es reicht. Es ist ein für alle Mal Schluss!«
    Rhett sieht die Furie, die neben ihm steht, in ihren fleischfarbenen Dessous, mit ihrem weißen pumpenden Frauenkörper. Er begehrt sie. Er begehrt sie so sehr. Er verdient sie nicht. Männer wie er haben Frauen wie sie nicht verdient. VERLOGENER ALTER WINDHUND. Vermutlich hat sie Recht. Vermutlich ist er ein verlogener alter Windhund. Sie atmet tief durch die Nase. Ihre Zornesader tritt hervor. Ihr Hals schwillt an.
    »Ich will alles wissen! Alles! Ausnahmslos alles!«
    Sie schwenkt den Gipsarm. Sie rollt mit den Augen.
    Rhett würde ihr gern alles sagen, lückenlos Rechenschaft ablegen. Aber er weiß es auch nicht. Er weiß es doch auch nicht.
    »Du hast meine Freundin gefickt? Du hast meine beste Freundin gefickt und mir nie was gesagt? Und sie hat mir nie was gesagt? Niemand hat mir was gesagt?«
    Ihre Wut ergießt sich über ihn wie Lava. Sie sagt gefickt . Immer wieder sagt sie gefickt . Er atmet tief. Er atmet Eifersucht, Zorn, Verzweiflung, Geilheit, verwoben in die Körperhitze einer frisch geduschten Frau. Seiner Frau.
    Und nun schreit sie, ist zerstörerisch, zügellos, skandalös. Sie traktiert seine Schlüsselbeine mit ihren Fingergelenken. Wie Sodbrennen steigt Wärme in ihm auf. Ihre Tränen verleihen ihm tragische Bedeutung.
    Die Wärme verwandelt sich in Verlangen.
    Rhett streckt seine Hände aus nach Sonnies Hintern.
    Rhett will seine Lippen auf Sonnies Lippen drücken.
    Rhett will seinen Schoß in Sonnies Bauch pressen.
    »Verpiss dich, mitsamt deinem scheißdünnen Kaffee,

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