Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
Vom Netzwerk:
dieser Plempe, und mit deinem pappigen Toast und deinen Scheiß blau gekochten Eiern. Verpiss dich!«
    Unmittelbar nach diesem Schlachtruf trifft ihn ihr gipserner Ellenbogen an der Schläfe. Er lässt los, taumelt, sieht das Zimmer sich drehen, sieht sich selbst in der Kiste sitzen, verlacht, verhöhnt, verdroschen. Nie hat er die Situation in der Hand gehabt. Nie hat er seine Hand gehoben. Nie hat er die Oberhand gehabt. Er darf sich nicht unterbuttern lassen.
    Rhett holt aus.
    Rhett schlägt zu.
    Rhetts Hand landet in Sonnies Gesicht.
    Eine schallende Ohrfeige! Ein Schlag in ihr Gesicht! Sonnie findet sich in genau der Situation, in die sie sich in der Dusche zurückfantasiert hat.
    Endlich kann sie den Bann brechen. Raus aus der Endlosschleife ihrer Tagträume.
    Sie hebt die Hand des Großvaters. Sie holt aus. Sie schlägt zurück. Sonnie schlägt in Rhetts Gesicht. Sonnie schlägt ihren Mann. Sonnie schlägt alle ihre Männer. Sonnie schlägt den Vater. Sonnie schlägt die Mutter. Sonnie schlägt die Queen.
    Sieben auf einen Streich.
    Schlag um Schlag. Ohrfeige um Ohrfeige. Bald stehen die beiden, schwankend, verknäult und verkeilt, wie Boxer im Moment der Erschöpfung da.
    Dass er sie geschlagen hat, findet Sonnie akzeptabel. Der Schlag mobilisiert die Soldatin in ihr. Er gibt ihr die Möglichkeit blindwütiger Verteidigung. Er macht ihre Offensive zur Defensive. Was sie auszutragen haben, ist nicht mit Worten auszutragen. Und, wer weiß, vielleicht kann man nur mit größter Grobheit lieben?
    Sonnie kann es nicht ausstehen, dass Rhett größer ist als sie. Sie kann es nicht ertragen, dass er älter ist als sie, womöglich klüger ist als sie. Sie kann nicht ertragen, dass er etwas verbirgt. Sie will alle Geheimnisse aus ihm herausprügeln, windelweich will sie ihn prügeln, den zähen Brocken, windelweich. Sie hasst ihn, weil er sie schon wieder mit dem Nabeldorn bedrängt. Er will siemit seinem Bajonett erstechen. Erlegen will er sie, wie er sie immer erlegt. Sie muss sich wehren. Es ist Notwehr. Sie muss ihn am Boden sehen. Sie muss ihren Fuß auf ihn setzen.
    You’re not man enough. You haven’t the guts.
    Mit einem rechten Schwinger gegen sein Brustbein bringt Sonnie Rhett aus dem Gleichgewicht. Rhett greift im Fallen nach Halt und zerkratzt Sonnies Dekolletee und zerreißt Sonnies BH.
    Sonnie lässt sich mit ihm ziehen.
    Rhett liegt wie ein Brotlaib auf dem alten Parkett.
    Sonnie hockt wie eine Katze auf ihm. Er ist warm und erhitzt, sein Körper pulsiert. Sie riecht sein Haar, sie fühlt seine Haut. Sein Penis richtet sich unter ihr auf. Sie greift danach.
    Durch Rhetts altes Gesicht leuchtet sein Jugendgesicht.
    Sonnie keucht.
    Das Telefon klingelt. Eine Frauenstimme. Deutsch: »Sonnie? Hallo? … Ich weiß gar nich, ob ich de richtige Nummor hab … Hier ist Gabi. Aus Leipzig. Du, wir machen ein Glassentreffen Ende Novembor. Wir holen die Zwanzig-Jahre-Abi-Feier nach. Haste Lust? Haste Zeit? Ich würd dich gern mal wiedersehn. Meine Nummer ist 0341-555 1212.«
    Sonnies BH ist ein Schultergurt ohne Funktion.
    Sieg! Triumph! Genugtuung! Im flirrenden Sonnenlicht sieht Sonnie den schönsten Mann der Welt, den einzigen Mann, Rhett. Sie stützt sich auf den Brustkorb des besiegten müden Tieres. Ihr Schoß bebt unter seinem Pulsschlag. Sie sieht zwischen ihren nackten Brüsten sein Clownsgesicht.

ACHTES KAPITEL
    »Lebt sie noch?«
    »Wer?«
    »Die Nonne?«
    »Schwester Cäcilia? Weiß nicht.«
    »Wo ist das Waisenhaus?«
    »Queens.«
    »Zeigst du es mir?«
    »Stellst du mir deine Eltern vor?«
    Er hat offenbar vergessen, dass ihre Mutter tot ist. Sonnie stellt sich ein Treffen zwischen Rhett und ihrer Mutter vor. Wie sie ihn beurteilt hätte. Wie er sie beurteilt hätte. Sonnie stellt sich ein Treffen zwischen Rhett und ihrem Vater vor. Zwillinge – nach der Geburt getrennt.
    Rhett löst sich aus Sonnies Umarmung. Er hüllt sich in ein Bettlaken. Er läuft barfuß übers alte Parkett. Er kann es nicht fassen. Mit einer Ohrfeige wollte er seine hysterische Frau zur Räson bringen, ganz Macho, ein richtiger Mann. Und dann das.
    »Hast du dir eigentlich den Film angesehen?«
    »Nein, ich wollte, aber dann … Ist es der Film aus dem Koffer?«
    Sonnie wickelt sich auch in ein Laken.
    »Ja. Ein Soundie.«
    »Was ist ein Soundie?«
    »Der Urgroßvater des Videoclips. Ich glaube, er ist drauf.«
    »Der Koffermann? Im Film? Zeig.«
    Rhett hängt das Fenster zu. Rhett startet den Film.
    Sonnie sitzt vor Rhett

Weitere Kostenlose Bücher