Der Koffer
komm vorbei. Ich bin hier grad am Tapezieren. Kannst helfen. Sag mal, hast du ein Auto?«
»Hab ich.«
»Super. Bring’s mit. Dann können wir gleich entrümpeln.«
Rhett ist stolz. Gute Detektivarbeit. Er hat Bud finden wollen. Er hat ihn gefunden. Da ist sie auch schon,seine Männerfreundschaft, mühelos knospt sie in Buds Tapezierplan. Und er, Rhett, kann sich einbringen, mit seinem Auto. Eine Hand wäscht die andere. Rhett lässt sich von Bud den Weg beschreiben. Er notiert sich die Adresse. Er macht sich auf den Weg. Ein Sturm ist aufgekommen, ein Herbststurm, einfach so, aus dem Nichts. Der Sturm pfeift um die Häuserecken, durch die Fluchten und Schluchten. Rhett trägt nur sein Jackett. Den Trenchcoat hat er nicht gefunden. Den Borsalino muss er festhalten. Er drückt den Borsalino fest auf den Kopf und sucht zwanzig Minuten nach seinem Lincoln. Er fährt dem Freund entgegen, dem Grizzly, Bud Brown.
Es ist ein Townhouse mit heruntergekommenem, taubenbeschissenem Stuck in Williamsburg, gleich hinter der Brücke zwischen Lagerhallen. Hier werden Krimis gedreht, denkt Rhett. Hier werden Verfolgungsjagden gemacht. Hier werden Menschen erschossen.
Bud öffnet Rhett im Jogginganzug die Tür. Er breitet die Arme aus. Er klopft ihm mit seinen großen lila Händen den Rücken.
Rhett streckt die Wirbelsäule durch. Wenigstens ist er etwas größer als Bud.
»Hab’s doch gewusst, Alter«, sagt Bud Brown. »Hab’s doch gewusst, Alter. Hab’s doch neulich gewusst.«
»Ja«, sagt Rhett, zieht reflexhaft den Kopf ein und tritt ins Buds Apartment. Es sieht nicht bewohnt aus. Kisten, Farbeimer, Mülltüten, Reisetaschen. Eine Matratze am Boden. Jede Menge leere Pizzaschachteln. Bierdosen. Über allem wie eine Wand der Geruch von Tapetenleim, Firnis, Schweiß, kalter Zigarettenasche und Bier.
»Auch nicht mehr der Jüngste«, sagt Bud, der ihn mustert. »Rhett-ist-nett, tststs.«
Bud schüttelt den Kopf. Bud nickt. Bud brummt.
Rhett ist verlegen.
»Das waren noch Zeiten«, sagt er aufs Geratewohl.
Bud holt eine Dose Bier aus dem Kühlschrank.
»Da waren wir noch jung und knackig«, ruft er.
Er öffnet die Bierdose mit zischendem Geräusch.
»Brooklyn Lager?«
»Nein, danke, jetzt nicht«, sagt Rhett. »Hast du Pepsi?«
Bud schüttelt den dicken Kopf. »Pepsi, hä?«, sagt er, läuft zurück zum Kühlschrank und entnimmt ihm eine halb leere Zwei-Liter-Pepsi-Flasche. Er öffnet den Verschluss. Es entweicht kaum noch Kohlensäure.
»Ziehst du ein oder aus?«, fragt Rhett.
»Ach, Scheiße, Mann, ich zieh ein. Hab mich getrennt von meiner Madame.«
»Deiner – Frau?«
»Ja. Hat mich rausgeschmissen. Hat einen Gerichtsbeschluss. Ich darf nicht näher als 500 Meter an sie ran.«
»Das ist weit«, sagt Rhett leise. »Das ist weit.«
»Prost«, sagt Bud und stößt die Bierdose an den weichen Bauch der Pepsiflasche. »Auf die blöden Weiber.«
Unsicher hebt Rhett die Flasche, in der die schale Cola schwappt. Unter Buddies gibt es keinen Ekel. Es ist wie in seinen Cowboyfantasien. Er hat das große Verlangen, »Madame« zu sagen.
»Warum hat sich dich denn rausgeschmissen, deine – Madame?«
»Körperverletzung.«
Ein Schauer durchzuckt Rhett. Er spürt Sonnies Faust auf seinem Brustbein. Er spürt seine Hand in ihrem Gesicht. Es ist noch ein Kribbeln in seiner Handfläche, der Nachhall von Gewalt. Das Ausholen war das Schönste. Dieses Weitausholen.
Lieber einen Tag als Löwe leben als hundert Tage wie ein Schaf.
Bud ist ans Fenster getreten. Er sieht hinaus. Er trinkt mit großen Schlucken aus der Bierdose. Er schweigt.
Rhett überlegt, ob er Bud in die Arschwissenschaft einweihen soll.
»Hast du sie geschlagen?«
»Nie. Nie geschlagen.«
»Was dann?«
»Habse auf die heiße Herdplatte gesetzt.«
Bud dreht sich zu Rhett um.
»Da staunste, was? Rhett-ist-nett? Leute wie du diskutieren Sachen immer aus. Ich kann das nicht. Ich weiß die Worte nicht. Bin kein Redner. Ich hab nur das hier.«
Er hält seine großen lila Hände wie Missbildungen hoch. »Nur das hier.«
»Aber warum? Warum hast du …?«
»Ich kam nach Hause, Alter. Früher von der Spätschicht. War unser Hochzeitstag. Der dritte. Hatte Blumen dabei …« Seine Unterlippe beginnt zu zittern. »… hatte Blumen dabei.« Seine Stimme bricht. Er zieht eine Grimasse, als wollte er losweinen.
Big boys don’t cry.
Er fängt sich.
»Dann liegt die im Bett mit dem Hausmeister. Liegtda und japst, und der Hausmeister hat den Kopp
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