Der Kofferträger (German Edition)
die beiden Deutschen aus Berlin ausrichten. Alles was Carlos tat, machte er in wilder Entschlossenheit und Dynamik. So konnte er auch nicht langsam zum Landeanflug ansetzen. Eher riss er sein Flugzeug wieder nach unten. Auf den bis ins Unendliche ausgedehnten Weiden erkannten sie erst einzelne, dann eine Unzahl von Rindern. „Ich kann sie nur noch schätzen“, rief Carlos. „Ein Tagesritt reicht da um das Anwesen noch lange nicht aus.“
Je tiefer sie flogen, desto stärker stach ihnen das satte Grün wuchernder Bäume und bunte r Sträucher in die Augen. Sie landeten direkt in einem grünen Garten, neben einem riesengroßen Haus und vielfältigen Ziersträuchern. Die Maschine hoppelte über das Gras. Carlos wendete und sie hielten direkt vor der Veranda seines Besitzes. Seine Kinder stürzten fröhlich lachend heraus und begrüßten die Ankömmlinge. Der Ältere, vielleicht zwischen dreizehn und vierzehn Jahren, schwang sich auf den Pilotensitz und fuhr die Maschine in den kleinen Hangar. „Es soll Sturm geben“, sagte er seinem Vater. Carlos lachte. „Das sagt der Bursche jedes Mal, wenn ich komme. Bloß, weil er die Maschine in den Hangar fahren will.“
Nun standen si e mitten auf dem Hof der ‚Estancia Carlos‘. Hier also sollte ihr finanzielles Problem gelöst werden?, fragte sich Heiligduft erneut. Doch zum Geldwaschen konnten auch diese Menschen gut genug sein, und nur darum ging es schließlich. Dennoch, es lag nur an einem romantisierten Bild von den deutschen Kolonien in Paraguay, das sich H. B. gemacht hatte. Sonst hätte er Schütz und ihn nicht für einige Tage in diese Wildnis geschickt. Möglicherweise hatte er vor, hier seine Urlaubszeit zu verbringen. Oder gar im Schoss treudeutscher Auswanderer seinen Lebensabend in einem fruchtbaren Garten zu genießen.
Ein Ort dachte Schütz seinerseits, den der Kanzler als Refugium nach den Attacken seines Generalbevollmächtigten aufsuchen könnte. Carlos würde seinen Dienstherren wohl aufnehmen.
Zwischen großzügigen Baumreihen, größeren Waldinseln und sanften, kaum sichtbaren Hügeln schmiegte sich die flache Landschaft ein, in der die lebendigen, saftigen Steaks von morgen grasten. Carlos‘ Frau lächelte ihnen freundlich auf der Terrasse entgegen und die drei Kinder stellten sich noch einmal nebeneinander auf, um die deutsche ‚Regierungsdelegation‘ zu begrüßen. Sie waren sonntäglich gekleidet und reichten den beiden Männern die Hand. Außer bei dieser ersten steifen Begrüßung bewegten sich die Knaben frei und sorglos. Sie wuchsen in einem Paradies auf, das ihnen jede Bewegungsfreiheit garantierte. Abenteuerlust und romantische Träumereien waren ihnen ebenso vergönnt, wie die Bildung mit modernsten Medien.
Der Stolz des Vaters wollte es, dass sich alle drei Söhne im jetzigen Alter von neun, elf und vierzehn Jahren bereits mit Freude ihre Bildung aus dem Internet holten.
„Wir befinden uns, was die Bildung anbelangt, mitten in Berlin“, steuerte Maria, die Frau des Ranchers bei. „Wenn unsere Kinder eines Tages zum Studium nach Berlin kommen, werden sie in nichts den deutschen Studenten nachstehen. Im Gegenteil, durch die Schulen in unserem Land und die Sprachen, die sie hier lernen, dürften sie einem deutschen Studenten überlegen sein. Für uns ist die Stabilität Deutschlands sehr wichtig, die Ehrenhaftigkeit seiner Bürger und die Integrität aller Parteien.“
„Machen das alle Familien hier so“? Heiligduft schaute erstaunt.
Die beiden Rancher schauten sich ein wenig amüsiert an. Dann grinste Maria Blaugut.
„Ich denke eher, wir sind die Einzigen, die es so machen.“
Schütz lauschte aufmerksa m dem Deutschlandbild der Estanceros und nickte langsam „Ja, die Ehrenhaftigkeit der Bürger und der Parteien ist für uns auch wichtig.“
„Ich werde ihnen später meine Satellitenanlage zeigen. Ich habe sie eigens aus Deutschland kommen lassen. Wissen Sie, es ist eine Katastrophe, was unser Telefonnetz hier anbelangt. Wir auf dem Land sind kaum an die öffentlichen Telefone angeschlossen. Erst recht nicht mit den technischen Möglichkeiten für Internet und den ganzen Kram. Nun gut, für gute Steaks kann man sich immer noch eine Menge kaufen. Sie werden meine technische Einrichtung noch sehen“, lachte er voller Stolz.
Auch Schütz dämmerte es langsam, mit welch seltener Art Zeitgenossen, vollgestopft mit Reichtum, sie es hier zu tun hatten.
„Einen Tag oder auch zwei müssen Sie sich unbedingt Zeit nehmen,
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