Der Kofferträger (German Edition)
Häuser abrasieren. Aber es regnete noch immer nicht. Der Mann auf der anderen Straßenseite ging über die Höhe des BWB hinaus, lief noch ein paar Häuser weiter in Richtung Quaibrücke und setzte sich schließlich an der Uferpromenade auf eine Bank. Er döste. Von hier aus konnte er die gegenüberliegende Seite genau beobachten. Von ihm aus links hinunter lag das BWB. In seinen Gedanken führte er eine stille Statistik über die Frequenz der Fußgänger. Es wurden immer weniger Menschen, die sich noch auf den Straßen bewegten. Die späte Stunde und die drohenden Wolkengebilde über den Dächern hielten die Menschen in den eigenen vier Wänden. Der Sportler verließ seine Bank, ging bis zur Quaibrücke und schwenkte vorher links ab Richtung Stadthaus. Dann war er auch für einen Beobachter aus dem Blickfeld verschwunden. Bevor er seine Aktionen umsetzen wollte, hatte er noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Weit genug entfernt vom General Guisan Quai suchte er den Paradeplatz auf. Es war spät genug in der Nacht, das Kanzlerbüro war sicher nicht mehr besetzt. Langsam und bewusst wählte er die Nummer des führenden politischen Magazins ‚DAS ZIEL‘ und verlangte den diensthabenden Redakteur. Als sich Jens Mehlig meldete, berichtete Schütz ihm in knappen Worten. „Hier ist das Büro der PCD. Ich bin der Generalbevollmächtigte der Schatzmeisterei, mein Name ist Jürgen Schütz.“
„Ja, guten Abend Herr Schütz“, Mehlig war hellwach geworden. Mitten in der Nacht kam normalerweise kein Anruf aus dem Kanzleramt.
„Herr Mehlig, hören Sie gut zu. Was ich zu sagen habe, sage ich nur einmal. Ich werde auch keine Fragen beantworten.“
„Gut Herr Schütz, schießen Sie los.“ Der Anrufer hörte gerade noch am ‚Klick‘, wie ein Aufnahmegerät eingeschaltet wurde.
„Herr Mehlig ich habe bei der Oberstaatsanwaltschaft für staatliche Korruptionsangelegenheiten eine Anzeige eingereicht wegen schwerster Vergehen im Kanzleramt. Bereits zwei Mitarbeiter aus der Chefetage im Spreebogen haben angeblich Selbstmord begangen. Ich laufe ebenfalls Gefahr, durch einen als Selbstmord getarnten Mord umgebracht zu werden. Kümmern Sie sich um die Anzeige beim Kammergericht. Der Einfachheit halber habe ich eine CD mit allen Anschuldigungen mitgeliefert. Vielleicht schaffen Sie es ja, da heranzukommen.“
In wenigen Sekunden hatte er die Information wie den Bericht aus einem Nachrichtenticker heruntergespult und anschließend sofort aufgelegt. Schütz grinste. Die Zündschnur der Bombe war an der richtigen Stelle angesteckt. Er selbst fühlte sich leicht für neue Aufgaben.
Erst eine viertel Stunde später tauchte er wieder in der Nähe des BWB auf. Diesmal auf der Häuserseite. Sein bummelnder Gang von zuvor hatte sich in einen schnellen, zielbewussten Schritt verwandelt. Er steuerte auf das vierte Gebäude neben dem BWB zu und versuchte sich an der Eingangstür. Sie war offen. Er schaltete die Flurbeleuchtung an und ging die Treppe hinauf. Es roch nach frischer Farbe, ein Geruch, den er am Tag gar nicht wahrgenommen hatte. Die schweren Sachen, die er unter seinem Pullover trug, ließen seinen Atem kürzer werden. Erst nach dem letzten Stockwerk beschleunigte er seinen Schritt bis zum Dachgeschoss. Die Tür war immer noch offen und unversehens war er auf dem Dachboden.
Der junge Mann griff zum ersten Mal unter seinen Pullover. Aus einer der zahlreichen kleinen Taschen in seiner neuen Safariweste zerrte er eine kleine aber sehr starke Taschenlampe hervor . Mit engem Winkel beleuchtete der Schein seinen Weg über den leeren Dachboden. Selbst das trübe Licht von draußen ließ ihn das Fenster wieder erkennen, aus dem er ausstieg und mit seinen weichen, dunklen Sportschuhen seinen Fuß auf die Dachpfannen setzte. Er bewegte sich sehr vorsichtig zwischen den Dachgiebeln entlang, die sich von zwei Dächern hier vereinigten und ihm einen nicht zu beobachtenden Weg sicherten.
Noch einmal wagte er sich bis zur Regenrinne vor. Er legte sich auf den Bauch und schaute über die Hauskante auf das darunter liegende Sonnendach. Der verletzte Mensch von dort unten war verschwunden, das beruhigte ihn. Er war sicher nicht schwer verletzt. Ein bisschen weniger Tritte hätten es auch getan, dachte er jetzt. Natürlich könnte der Verletzte Schütz jederzeit identifizieren. Möglich war auch, dass sie ihn noch suchten. Die Stille der Nacht schenkte ihm Sicherheit. Wer würde auch mit seinem unglaublichen Wagnis rechnen, noch am
Weitere Kostenlose Bücher